Den Zopf hat sie noch. So sitzt Angelika Beer im Februar in Neumünster in einem Rauchercafé, in einer Fleece-Jacke, die verrät, dass sie ihr Zuhause mit mindestens einer Katze teilt. Tatsächlich sind es sieben, die mit ihr und ihrem Mann in einem Haus bei Neumünster wohnen. Zwei Handys auf dem Tisch, eine dicke Ordnungsmappe. Als Parteivorsitzende hat sie bei den Grünen ganz oben mitgespielt. "Piraten gegen Rechtsextremismus" ist auf ihr T-Shirt gedruckt. Die Augen funkeln. Sie ist gut gelaunt.
Die ehemalige Grünen-Chefin Angelika Beer erhofft sich von der Piratenpartei einen anderen Politikstil.
(Foto: dapd)Zwei Themen treiben die frühere Grünen-Parteichefin um. Da ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, den sie auch daheim in Neumünster führt. Und da ist die Außen- und Sicherheitspolitik. Krieg und Frieden auf der Welt, ihr Spezialgebiet seit Jahrzehnten. Neulich war sie bei einer Telefonkonferenz dabei, Piraten aus mehreren Ländern schalten sich da übers Internet zusammen. Diskutiert wurde darüber, mit welcher Software man Blogger in Nordafrika unterstützen könnte. "Total faszinierende Sachen sind das, die gar keine andere Partei machen kann", sagt Beer.
Ganz klar: Die weite Welt ist die Liga, in der die frühere wehrpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion spielen will. Doch nun kandidiert sie auf Listenplatz sechs der Piraten in Schleswig-Holstein. Zieht es sie wirklich nach Kiel, wo eher selten über Strategien für Nahost debattiert wird? Nicht unbedingt, gibt sie zu. Doch dann hatte der Landesparteitag im Oktober 2011 eine Dynamik entwickelt, die sie auf einen aussichtsreicheren Listenplatz spülte, als sie es geplant hatte. Diese Zustimmung sei ein so gutes Signal gewesen, dass sie sich verpflichtet fühle. Jetzt habe sie "total viel Lust, den Laden aufzumischen".
"Sie ist sehr Basispirat"
Bisher aber hält sie sich auf Landesebene zurück, mal gibt sie Interviews, hat auch am Wahlprogramm mitgearbeitet, echte Leidenschaft aber steckt sie in ihre Themen: Beer wirkt auf Bundesebene in der Arbeitsgemeinschaft Außen- und Sicherheitspolitik mit. Über den Landtagswahlkampf mit der prominenten Piratin sagt auch der 23-jährige Spitzenkandidat Torge Schmidt: "Sie spielt keine wirklich besondere Rolle." Er meint das positiv. "Sie ist natürlich sehr bekannt in Schleswig-Holstein, hat viele Kontakte zur Presse, hat viel Erfahrung und kennt die parlamentarischen Abläufe, wovon die Piraten profitieren. Auf der anderen Seite ist sie ein ganz normales Mitglied." Er lobt: "Sie ist sehr Basispirat. Es bringt wirklich Spaß, mit ihr zu arbeiten."
Man erinnert sich: Spaß hatten Beer und die Grünen lange nicht mehr, als sie die Partei im Jahr 2009 verließ. Denn sie, die einstige Kommunistin, das Gründungsmitglied der Grünen, die Friedensaktivistin, hatte den Verrat der Grünen an den eigenen Prinzipien mitorganisiert, die Abkehr vom radikalen Pazifismus. Der damalige Vizekanzler Joschka Fischer hatte seine wehrpolitische Sprecherin in die Pflicht genommen, und so wurde sie eine der wenigen Linken, die sich für Nato-Luftangriffe in Jugoslawien einsetzten - und für die Beteiligung der Bundeswehr. Das kostete sie ihre Freunde auf dem linken Flügel. Sie bemühte sich nicht, im rechten Lager neue zu gewinnen. Dass die gelernte Anwaltsgehilfin über Waffensysteme fachsimpelte, sich auf einem Panzer ablichten ließ und von "unseren Jungs" sprach, sahen die Grünen mit Unbehagen. Als Beer ihre Liebe zu einem Bundeswehroffizier, ihrem heutigen Mann, im Stern öffentlich ausbreitete, war sie den Grünen peinlich. Bei der Bundestagswahl 2002 wurde sie nicht mehr für einen aussichtsreichen Listenplatz nominiert.