Alkoholproblem in der Bundeswehr:Schwer geladen

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Ein Bundeswehrsoldat in Masar-i-Scharif (Foto: dpa)

"Zwei Dosen müssen übrig bleiben": Deutsche Soldaten bauen in Afghanistan betrunken Unfälle oder feuern sinnlos Waffen ab. Hat die Bundeswehr auch bei Auslandseinsätzen ein Alkoholproblem?

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Mitteilung des Befehlshabers ist soldatisch-nüchtern gehalten. Am Sonntag um 23:20 Uhr Ortszeit sei es in einem Unterkunftscontainer des Feldlagers Masar-i-Scharif "zu einer ungewollten Schussabgabe mit einer Pistole P8" gekommen - so steht es im Schreiben von Generalleutnant Hans-Werner Fritz an einen kleinen Kreis von Bundestagsabgeordneten.

"Das Geschoss drang in den gegenüberliegenden Unterkunftscontainer ein und blieb in einem Bett stecken." Der Bundeswehrsoldat, "der sich zu diesem Zeitpunkt schlafend in dem Bett befand", sei nicht verletzt, so der Chef des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. "Nach derzeitigem Sachstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Schussabgeber Alkohol konsumiert hatte."

Thema im Verteidigungsausschuss

Ein betrunkener Soldat, der um ein Haar einen schlafenden Kameraden erschossen hätte? Die Zutaten des Falls genügten, um ihn am Mittwoch zum Thema im Verteidigungsausschuss zu machen - zumal es innerhalb weniger Tage der zweite schwerwiegende Vorfall war, bei dem Alkohol eine Rolle spielte. Auch ein Soldat, der sich in Masar-i-Scharif wohl selbst erschossen hat, war laut Spiegel Online schwer betrunken. Durch die beiden Fälle kam im Ausschuss die Frage auf, ob man in Afghanistan und speziell in Masar-i-Scharif ein Alkoholproblem habe?

Eigentlich gilt dort die "Zwei-Dosen-Regel", nach der jeder Soldat nur zwei Dosen Bier am Abend trinken darf. Im deutschen Kontingent wird die allerdings gern mal so ausgelegt: "Zwei Dosen müssen übrig bleiben." Das ist zunächst nur ein beliebter Spruch - der aber wohl hin und wieder in die Tat umgesetzt wird.

Ursprünglich gab es im Feldlager gar nicht groß die Möglichkeit, abseits von Vorgesetztenaugen ein bisschen Vergessen zu suchen. Nach und nach aber eröffneten die einzelnen Verbände auf dem Gelände ihre eigenen sogenannten Betreuungseinrichtungen. Im Soldatenmund heißen diese offiziell genehmigten Ausschankstellen schlicht "Nebentheken".

Bei den Amerikanern gilt die Nullgrenze

Derzeit allerdings kursieren vor Ort Geschichten über eine gestiegene Anzahl der Vorfälle unter Alkoholeinfluss. Darunter fallen Verkehrsunfälle im Lager genauso wie Soldaten, die schlafend im Graben gefunden wurden - in einer Zeit, in der die Bundeswehr das Camp deutlich seltener für Operationen verlassen muss als früher. Den US-Truppen hingegen sind noch nicht einmal zwei Dosen erlaubt. Dort gilt die Nullgrenze - was nicht bedeutet, dass nicht gegen sie verstoßen würde.

Beim Einsatzführungskommando heißt es auf Anfrage, man habe keine Statistik zur Gesamtzahl der Vorfälle unter Alkoholeinfluss - dafür müsste man schließlich jede Meldung aus den Einsatzgebieten einzeln auswerten. "Von einem Alkoholproblem im Einsatz kann auch keine Rede sein", sagt ein Sprecher, "sondern vom Querschnitt einer gesellschaftlichen Problematik, wie sie überall anzutreffen ist." Im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft, fügt er hinzu, würden Verstöße "bei uns dann aber auch geahndet".

Nicht immer allerdings halten sich die Auswirkungen so in Grenzen wie am späten Sonntagabend. Bei der "ungewollten Schussabgabe", so Generalleutnant Fritz, seien lediglich "Schäden am Mobiliar und an den Unterkunftscontainern entstanden".

© SZ vom 14.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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