Al-Qaida-Terror:Terror-Prediger mit Anzug und Krawatte

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Das Aussehen täuscht: Die Geheimdienste nehmen die Drohungen von Bekkay Harrach ernst - sie rechnen ihn zum Mittelbau der al-Qaida.

H. Leyendecker

Sieht so ein echter Gotteskrieger aus? Das Gesicht glattrasiert, gegeltes kinnlanges Haar, schwarzer Anzug, die hellblaue Krawatte korrekt gebunden. So steht der einst in Bonn lebende Islamist Bekkay Harrach, 32, vor einem filmtauglichen roten Vorhang und drohte den Deutschen nach der Bundestagswahl ein "böses Erwachen" an, falls die Bundeswehr nicht aus Afghanistan abgezogen werde.

Sinn für Inszenierung: Bekkay Harrach in dem Video, das am Freitag auf der Internet-Plattform Youtube erschienen ist. (Foto: Foto: dpa)

Das Video mit Harrach, der sich "Abu Talha, der Deutsche", nennt, wurde am Freitagnachmittag auf mehreren dschihadistischen Internet-Seiten verbreitet. Die deutschen Sicherheitsbehörden nehmen die Warnung ernst, weil die Terrorholding al-Qaida angeblich schon vor einer Weile Deutschland zum Angriffsziel erklärt hat und weil das Video prompt von der Agentur für Terrornachrichten al Fadschr beworben wurde, die al-Qaida sehr nahe stehen soll.

Propaganda vor der Tat? Niemals zuvor haben deutsche Sicherheitsbehörden vor einem angeblich drohenden Anschlag so intensiv gewarnt wie in den vergangenen Monaten und gleichzeitig betont, dass sie gut aufgestellt seien. Bei all dieser Warn-Dialektik haben Bund und Länder die Sicherheitsvorkehrungen in den vergangenen Wochen bereits erheblich verstärkt. Auch befürchten Sicherheitsbehörden Entführungen deutscher Geschäftsleute oder Touristen in Nordafrika, wo sich der örtliche Al-Qaida-Ableger laut Berichten des BND verstärkt mit der deutschen Szene befasst hat.

Harrach sagt in dem Video: "Entscheidet sich das deutsche Volk für den Krieg, hat es sein eigenes Urteil gefällt." Muslimen in Deutschland rate er, sich in den ersten zwei Wochen nach der Wahl von allen nicht "lebensnotwendigen" Orten fernzuhalten. Nur Kiel, das versprach er, bleibe sicher. Es fällt nicht leicht, den Mann mit der leisen Stimme wirklich ernst zu nehmen; andererseits wird so einer leicht unterschätzt.

Harrach alias Abu Talha wurde 1977 in Nordafrika geboren und kam als Vierjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland. 1997 bekam er den deutschen Pass. Als Jugendlicher verkehrte er im Umfeld der Bonner König-Fahd-Akademie, die damals als antiwestlich galt. An der Fachhochschule Koblenz schrieb er sich für Lasertechnologie und Wirtschaftsmathematik ein und wurde 2004 exmatrikuliert.

Er soll im Westjordanland gegen israelische und im Irak gegen US-Soldaten gekämpft haben. Zeitweise soll er in Syrien in Haft gewesen sein. Er ist mit einer Deutschen verheiratet, die zum Islam konvertiert ist; die beiden haben ein Kind. Seit 2007 vermuten die Behörden ihn im Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan. Er ist einer von etwa hundert "Gefährdern", denen deutsche Sicherheitsleute einen Anschlag zutrauen. Am Sonntag tauchte eine weitere Botschaft Harrachs auf, in der er deutschsprachige Muslime zum Dschihad aufruft.

Wenn die Berichte des BND stimmen, hat er in Wasiristan schnell Karriere gemacht und gehört mittlerweile zum Mittelbau von al-Qaida. Angeblich ist er von Abu Ubaida, dem früheren Planungschef al-Qaidas, ausgebildet worden, der Anfang 2008 durch eine US-Rakete getötet wurde.

Harrach soll in einem Ausschuss "Auswärtige Operationen" sitzen. Andererseits könnte einer wie er der Propaganda-Abteilung, die es auch gibt, angehören. Im Januar tauchte das erste Video Harrachs auf, das al-Qaida zugerechnet wurde. Auf den offiziellen Segen der Terrorgruppe deutete das Signet einer Qaida-Einrichtung hin. "Unsere Atombombe ist eine Autobombe. Jeder Muslim kann sie sein" drohte Harrach damals.

Der große Bankraub als Strafe Gottes

Bereits sein erster großer Medien-Auftritt wurde von manchem Sicherheitsexperten als Kriegserklärung verstanden. Die Terrorholding könne versuchen, die öffentliche Meinung in Deutschland durch ein Attentat vor der Bundestagswahl zu beeinflussen, hieß es schon damals.

Im Februar 2009 war Abu Talha wieder auf Sendung und diesmal redete er über den "Islam und die Finanzkrise". Wie ein alter Sektierer interpretierte er den großen Bankraub als Strafe Gottes. Verschont geblieben seien nur fromme Muslime, aber, global betrachtet, sei auch Deutschland "mit einem blauen Auge davongekommen, da es nicht mit so viel Blut befleckt ist".

Die Kapitalismuskritik des Mannes, bei der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ebenso wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Erwähnung fanden, dauerte 45 Minuten und endete damit, dass am Ende der jetzt abgespielte dritte Auftritt angekündigt wurde, in dem ungewöhnlicherweise ein konkreter Zeitrahmen für einen möglichen Anschlag genannt wurde. In Harrachs Biografie gibt es manche Veränderungen, aber auffällig ist, dass dieser international gesuchte Terrorist sich nach Möglichkeit gut kleidet: Anzug und Krawatte gehörten bei ihm schon früher dazu.

© SZ vom 21.09.2009/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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