AKW-Beteiligung der Stadtwerke:Atomare Ladenhüter

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Ein Land steigt aus der Atomkraft aus - und die Kommunen bleiben auf ihren Anteilen an Kernkraftwerken sitzen. Denn wer will sich an einem Reaktor beteiligen, der in wenigen Jahren vom Netz gehen muss? In München behilft man sich mit einer kreativen Taktik.

Jan Bielicki

Bielefeld will aussteigen, und die Stadträte haben es eilig. "So schnell wie möglich" sollen die Stadt und ihre Stadtwerke raus aus der Atomkraft, so hat es eine Mehrheit im Bielefelder Rat nach der Havarie im japanischen Fukushima beschlossen. "Spätestens in 2018" soll der kommunale Atomausstieg nach dem Willen der regierenden Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP abgeschlossen sein - und in dieser Woche wollen sich die Räte von ihren Stadtwerken erklären lassen, wie das gehen könnte.

Es wird schwierig. Denn anders als andere deutsche Städte verbraucht Bielefeld nicht nur Atomstrom, seine Stadtwerke produzieren ihn auch. Ihnen gehört ein Sechstel des Atomkraftwerks Grohnde, 60 Kilometer östlich der Stadt gelegen. Dort kommt gut die Hälfte des Stroms her, den Bielefelds Stadtwerke erzeugen. Und so einfach wird Bielefeld sein Sechstel Atomkraftwerk kaum los. "Ich mache aus meiner Grundskepsis keinen Hehl", sagt Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD). Er soll den Verkauf der Stadtwerke-Anteile an Grohnde, zu dem die Atom-Gegner und Grüne in der Stadt lange gedrängt haben, nun einleiten.

Doch wer will sich noch an einem Reaktor beteiligen, der laut dem Berliner Ausstiegsbeschluss spätestens in zehn Jahren vom Netz gehen muss? "So viele Interessenten gibt es da nicht", sagt Clausen. Zumal beim Verkauf auch noch der niedersächsische Energiekonzern EWE mitzureden hat, der über eine Tochterfirma 49,9 Prozent an Bielefelds Stadtwerken hält. Diese Anteile will Bielefeld zwar zurückkaufen, gestritten wird aber noch über den Preis - und darüber, was die Beteiligung an Grohnde wert ist.

Wenig Aufmunterung hat Clausen auch von seinem Kollegen Christian Ude (SPD) aus München erfahren. Die bayerische Landeshauptstadt ist neben Bielefeld die einzige deutsche Kommune, deren Stadtwerke in nennenswertem Umfang an einem Atomkraftwerk beteiligt sind. Ihnen gehört ein Viertel des Reaktors Isar 2.

Im Münchner Rathaus, wo seit 21 Jahren ein rot-grünes Bündnis herrscht, hat der Stadtrat den Ausstieg aus dem eigenen Atommeiler schon Anfang der neunziger Jahre beschlossen und seither den OB immer mal wieder beauftragt, einen Interessenten für die städtischen AKW-Anteile zu finden. Ergebnis: Münchens Stadtwerke verkaufen bis heute höchst profitabel Atomstrom und werden es bis zum Ende der Laufzeit ihres Meilers 2019 weiter tun.

Einmal haben sie ihr Viertel Atomkraftwerk sogar über eine Anzeige in einer britischen Wirtschaftstageszeitung angeboten. Die Resonanz war mau. "Es findet sich keiner, der das haben will", räumt Münchens grüner Bürgermeister Hep Monatzeder ein, "jedenfalls nicht zu einem anständigen Preis."

Spätestens seit dem Ausstiegskonsens der rot-grünen Bundesregierung wäre München seine Atom-Anteile nur losgeworden, "wenn wir sie Eon geschenkt hätten", sagt Monatzeder: "Dann verdienen wir das Geld doch lieber selber und investieren es in erneuerbare Energien" - das sei, so der grüne Bürgermeister, "auch moralisch saubere, grüne Politik".

Auch Bielefeld wird sein Atomkraftwerk wohl länger erhalten bleiben - egal, was der Stadtrat beschließt und was ein geplanter Bürgerentscheid ergibt. Grohndes Regellaufzeit endet voraussichtlich 2018, bis 2021 dürfte der Mehrheitseigner Eon dort noch aus der Schließung anderer Reaktoren anfallende Reststrommengen erzeugen. "Wir bleiben Gesellschafter", ahnt Clausen, "bis Grohnde wieder grüne Wiese ist."

© SZ vom 16.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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