Akteneinsicht:Du sollst nicht lächeln

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(Foto: Ralf Hirschberger/dpa, Collage: SZ)

Was für ein Mann ist Alex Wiens, der im Sommer Marwa Al-Sherbini erstach? Der Prozess in Dresden erzählt eine Geschichte am Abgrund. Sie handelt von einem leicht kränkbaren Rassisten und seinen Begegnungen mit einer klugen und schönen Muslimin

Von Hans Holzhaider

Diese Reportage erschien am 7. November 2009 in der Süddeutschen Zeitung. Als "Akteneinsicht" werden in Feiertagsausgaben der SZ Berichte über große Prozesse der Vergangenheit nachgedruckt, versehen mit einer aktuellen Einordnung. Die Texte werden in der Rechtschreibung ihrer Entstehungszeit belassen und teils leicht gekürzt.

Tom Maciejewski ist erst 46 Jahre alt, aber er ist ein erfahrener, souveräner Richter. Er war vor dem Fall der Mauer Richter am Dresdner Kreisgericht, er hat später eine Staatsschutzkammer, dann eine Jugendkammer, dann eine Schwurgerichtskammer geleitet. Er war Vorsitzender Richter in dem Prozess gegen Mario Mederake, der in Dresden die 16-jährige Stefanie entführt, 36 Tage lang gefangen gehalten und missbraucht hatte. Er vereint in sich juristische und persönliche Autorität mit einem für einen Richter nicht alltäglichen Einfühlungsvermögen. Tom Maciejewski ist durch nichts so leicht aus der Fassung zu bringen. Aber seit dem 1. Juli 2009 - dem Tag, an dem die 31-jährige Ägypterin Marwa Ali Mohamed el-Sherbini vor seinen Augen ermordet wurde - ist Tom Maciejewski krank geschrieben.

Vier Monate ist das her, und nun muss Tom Maciejewski als Zeuge aussagen, in demselben Gerichtsgebäude, in dem sich damals die Bluttat ereignet hat. Der Angeklagte, damals wie heute, ist Alex Wiens, 28. Die Verhandlung an jenem 1. Juli hatte begonnen wie jede andere. Der Angeklagte gab seine Personalien an - geboren am 12. November 1980 in Perm, einer Millionenstadt im nördlichen Ural, ledig, deutscher Staatsangehöriger. Als Beruf nannte er "Lagerarbeiter". Einen Dolmetscher brauchte er nicht. "Er spricht sehr gut deutsch", sagt Maciejewski, "er ist sehr redegewandt." Der Sachverhalt, der ihm zur Last gelegt werde, treffe so zu, wie er in der Anklage stehe, habe Wiens erklärt. Er habe Marwa el-Sherbini eine "Terroristin" und "Islamistin" genannt. Das sei seine Meinung. Seit dem 11. September hätten "solche Monster" kein Recht, in Deutschland zu leben. "Ich habe das wörtlich protokollieren lassen", sagt Maciejewski. Dann habe Wiens "in ganz ruhigem, sachlichen Ton" erklärt, er finde es falsch, dass Ausländer sich hier aufhalten dürften. Er unterscheide Menschen in europäische und nicht-europäische Rassen. Er habe die NPD gewählt und bedaure es, dass sie nicht an der Regierung sei. "Das hat mich schon empört", sagt Maciejewski. "Ich fragte ihn, ob er die deutsche Geschichte kennt, und ob er schon mal in einem KZ war. Er sagte, das war nicht die NPD, sondern die NSDAP. Er ist nicht laut geworden oder unfreundlich, er hat das einfach so gesagt."

Sie bittet um eine Schaukel für ihren Sohn - er aber will ein Deutschland nur für Deutsche

An dieser Stelle bat damals der Rechtsanwalt Markus Haselier, der Pflichtverteidiger des Angeklagten, um eine Verhandlungspause. Wiens ging nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen. Sein Mandant sei aufgeregt, sagte der Anwalt, er habe Angst vor einer Verurteilung. Maciejewski erklärte, er könne auf die Aussage von Marwa el-Sherbini verzichten, schließlich sei der Angeklagte geständig. Einer der beiden Schöffen wollte die Zeugin aber hören. Also wurde die Ägypterin, die mit ihrem Mann und dem dreijährigen Sohn Mustafa im Flur wartete, in den Gerichtssaal gerufen. Sie nahm am Zeugentisch Platz, ihr Mann und das Kind setzten sich in den Zuschauerraum. "Sie trug Jeans und ein Kopftuch", sagt Maciejewski. "Sie war freundlich, klug, sehr sympathisch. Sie erzählte kurz, sachlich, sehr präzise, was sich am 21. August 2008 ereignet hatte."

An diesem 21. August war Marwa el-Sherbini mit ihrem kleinen Sohn auf einem Spielplatz ganz in der Nähe ihrer Wohnung in der Dresdner Elisenstraße. Die beiden Schaukeln waren besetzt - auf einer saß Alex Wiens, auf der anderen die kleine Tochter seiner Schwester. Mustafa wollte unbedingt schaukeln, also bat seine Mutter den ihr unbekannten Mann, ob er nicht die Schaukel freimachen könne. Wiens begann völlig unvermittelt, sie zu beschimpfen. Sie sei eine Terroristin, eine Islamistin, und aus dem Sohn werde auch einmal ein Terrorist, er habe hier nichts zu suchen, die anderen Kinder sollten solche Menschen nicht sehen. "Wenn er schaukelt, werde ich ihn bis zum Tod schaukeln", sagte Wiens. Zwei Frauen mischten sich ein, redeten auf Russisch auf Wiens ein, der ließ nicht ab. Ein deutscher Vater gab Marwa schließlich sein Handy, sie solle die Polizei rufen. Wiens blieb auf dem Spielplatz, bis die Polizei kam und seine Personalien aufnahm.

Niemand hatte mehr Fragen an die Zeugin. "Ich habe sie entlassen, sie stand auf, da sagte der Angeklagte plötzlich, er habe noch eine Frage. Er wolle wissen, warum sie sich hier in Deutschland aufhält." Maciejewski wies die Frage zurück, aber Wiens beharrte: "Ich will wissen, warum du hier in Deutschland bist", herrschte er die Zeugin an. Sein Rechtsanwalt Markus Haselier legte ihm die Hand auf den Arm: "Das hatten wir schon, das gehört nicht zur Sache." Marwa stand auf, "sie lächelte noch allen im Saal zu", sagt Maciejewski. Sie wandte sich um, ging zur Tür, ihr Ehemann kam ihr entgegen, Mustafa an der Hand. "Dann", sagt Maciejewski, "ging alles rasend schnell."

Der Saal 0.10 ist einer der kleinsten im Dresdner Landgericht. Unmittelbar rechts von der Tür saßen an diesem Tag, mit dem Rücken zur Wand, der Angeklagte und sein Verteidiger, gegenüber, auf der Fensterseite, die Staatsanwältin Barbara Helmert, 33, an der Stirnseite des Raums Richter Maciejewski, rechts und links von ihm die beiden Schöffen, Brigitte H., 55, und Hans A., 70, sowie die Protokollführerin. Der Zeugentisch steht in der Mitte zwischen dem Angeklagten und der Staatsanwältin, von beiden nur eine gute Armlänge entfernt. Marwa el-Sherbini hatte fast die Tür erreicht, ihr Mann und das Kind standen dicht neben ihr.

"Ich habe gesehen, dass der Angeklagte plötzlich aufsprang", sagt Maciejewski, "er lief hinter seinem Verteidiger vorbei zu ihr hin und hat auf sie eingeschlagen, mit den Fäusten, ganz schnell, zackzackzackzack, wie ein Maschinengewehr. Ich sprang auf, ich schrie: ,Lassen Sie die Frau los, hören Sie auf', bin zu ihm hingerannt, wollte ihn greifen. In diesem Moment . . ." - und jetzt versagt Maciejewski die Stimme, er kann nicht weiter sprechen, greift zum Wasserglas, trinkt einen Schluck, stellt das Glas wieder ab, hebt erneut an, es geht immer noch nicht, und dann, nach langen Sekunden, spricht er weiter: "In dem Moment sehe ich, dass er in seiner rechten Hand ein Messer hat, ein langes Messer."

Es ist schwer, den Ablauf der nächsten zwei, drei Minuten zu rekonstruieren. Jeder hat nur Teile des Geschehens wahrgenommen. Maciejewski lief zurück zum Richtertisch, schlug drei-, vier-, fünfmal auf den Alarmknopf, lief wieder zurück, sah, wie Marwa el-Sherbini zu Boden sank - "ich habe ein Bild im Kopf, dass der kleine Sohn neben seiner Mutter kniete, er schrie nicht, er gab keinen Ton von sich. Ich griff nach dem Messer, Wiens drehte sich zu mir, stach mehrfach in meine Richtung, traf mich nicht. Ich dachte in diesem Moment, er sticht mich ab." Die Staatsanwältin schrie, alle schrien, nur Wiens selbst, darin stimmen alle Zeugen überein, gab keinen Laut von sich.

Von allen Augenzeugen behielt Rechtsanwalt Markus Haselier den besten Überblick. Er sah, wie Elwy Ali Okaz versuchte, seine Frau zu schützen, wie sein Mandant daraufhin auf den Mann einstach, die Stiche trafen Okaz in den Unterkiefer und den Hals, Blut strömte aus den Wunden. Irgendwie stolperte er aus der mittlerweile geöffneten Tür, Wiens ging wieder auf die Frau los. Haselier griff sich einen der Zuschauerstühle und drosch mit aller Wucht auf Wiens ein, aber der machte völlig unbeirrt weiter. Der Rechtsanwalt schob den Zeugentisch zwischen Wiens und das wehrlose Opfer - der beugte sich über den Tisch und stach weiter auf die inzwischen am Boden liegende Marwa ein. Okaz kam in den Raum zurück, griff den Täter an, rang mit ihm um das Messer. "Dann stand plötzlich ein großer, blonder Mann in der Tür", sagt Markus Haselier, "mit einer Pistole in der Hand. Er schrie mit mörderischer Stimme ,Messer weg', dann schoss er in das Handgemenge. Herr Okaz sackte seitlich weg. Ich schrie: ,Ihr habt den Falschen erwischt', und dann stürzten er und andere sich auf den Täter." Tom Maciejewski kniete neben Okaz, den der Schuss in den Oberschenkel getroffen hatte. "Er krallte seine Hände in meine", sagt der Richter, "und er sagte: ,Sie stirbt, sie stirbt'. Und ich sagte: ,Ich verspreche ihnen, sie stirbt nicht, sie müssen jetzt stark sein für Ihren Sohn." Das war ein Versprechen, das Tom Maciejewski nicht halten konnte.

Marwa el-Sherbini war in diesem Augenblick schon so gut wie tot. Sie war von 16 Stichen getroffen worden, in Herz, Lunge, Leber, Milz - kein Arzt der Welt hätte sie retten können. Von dem Augenblick, in dem Maciejewski den Notknopf drückt, bis zu dem Schuss auf Elwy Ali Okaz waren, errechnete später ein Kriminalbeamter, genau zwei Minuten und zehn Sekunden vergangen.

Das Gericht ist ein Ort, an dem man damit rechnen muss, dass Menschen die Nerven verlieren

Marwa el-Sherbini ist nicht das erste Opfer fremdenfeindlicher Gewalt in Deutschland. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Ausländer, zumeist Afrikaner, von Neonazis angepöbelt, gejagt, zusammengeschlagen oder im schlimmsten Fall zu Tode geprügelt wurden. Der Mord an Marwa el-Sherbini ist auch nicht die erste Gewalttat in einem deutschen Gerichtssaal. Seit Marianne Bachmeier 1981 in Lübeck den mutmaßlichen Mörder ihrer kleinen Tochter erschoss, gab es immer wieder tödliche Attacken in Justizgebäuden, zuletzt im April dieses Jahres in Landshut. Das Gericht ist ein Ort, an dem man damit rechnen muss, dass Menschen die Nerven verlieren. In vielen deutschen Gerichten gibt es deshalb Metalldetektoren am Eingang. In Dresden gab es das nicht. Es saß auch kein Justizwachtmeister mit im Sitzungssaal, als gegen Alex Wiens verhandelt wurde. "Ich bin ein sehr vorsichtiger Richter", sagt Maciejewski, "aber in diesem Fall gab es keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung."

Der Bruder des Opfers zeigt am Revers seine Trauer. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa, Collage: SZ)

Ob ein unbewaffneter Justizbeamter den amokartigen Angriff des Täters hätte stoppen können, ist ungewiss. Aber Marwa el-Sherbini wäre wahrscheinlich noch am Leben, wenn man Alex Wiens vor Betreten des Gerichtsgebäudes nach Waffen durchsucht hätte. Selten kann man den Tod eines Menschen so wahrhaft tragisch nennen wie diesen: Nicht nur, weil er so leicht zu verhindern gewesen wäre, sondern auch, weil Marwa el-Sherbini nach allem, was von ihr berichtet wird, in besonderem Maß die menschenfreundliche, barmherzige Seite ihrer Religion verkörperte. Als sie im Gerichtssaal von Alex Wiens provoziert wurde, wandte sie sich ihm zu und sagte: "Ich trage ein Kopftuch, aber für mich ist der Islam eine Religion der Liebe, nicht des Hasses. Ich habe nichts zu tun mit denen, die heimtückisch Menschen umbringen."

Was weiß man über den Mann, der mit mörderischer Wut auf ihm unbekannte Menschen losging, weil er von der Idee besessen war, es könnten Menschen sein, die mit Mördern sympathisieren?

Sein russischer Wehrpass gibt darüber Auskunft, dass er in Perm eine technische Berufsschule besucht und den Beruf eines Stukkateurs erlernt hat. Vom Wehrdienst wurde er "gemäß Artikel 15 a der Krankheitsliste befreit". Die Vorsitzende Richterin Barbara Wiegand hat versucht, von den russischen Behörden Aufklärung über diesen "Artikel 15 a" zu erhalten - ohne Erfolg. Ende 2003 kam Alex Wiens mit seiner Mutter und seiner älteren Schwester nach Deutschland, der Vater blieb in Russland. Die Familie lebte zusammen in einem Übergangswohnheim. Nachdem er dort wegen aller möglichen Konflikte ausziehen musste, wohnte er allein in einer Zweizimmerwohnung in einem heruntergekommenen Wohnblock. Seine Hartz-IV-Bezüge besserte er mit Gelegenheitsarbeiten auf.

Antje K., 49, hat Wiens als Teilnehmer eines Fortbildungskurses für Lagerwirtschaft und Logistik kennengelernt. Er fiel ihr auf, weil er im Deutschunterricht ungewöhnlich konzentriert und wissbegierig war. "Er hat endlos nachgefragt", erzählt sie, "so viel, dass es den Mitschülern schon auf die Nerven ging. Er wollte unbedingt korrektes Deutsch sprechen." Wiens habe sich als der beste Deutsche in der Klasse gefühlt. Er sei sichtlich stolz darauf gewesen, Deutscher zu sein, sagt sie. Soziale Kontakte habe er kaum gehabt.

Einen gibt es, der sich als "Freund" von Alex Wiens bezeichnet. Sergej G., 21, hat sich regelmäßig mit ihm getroffen. "Sein Problem war, dass niemand mit ihm was zu tun haben wollte", sagt er. Speziell Frauen. "Er wollte gern eine Freundin haben, aber es gelang nicht." Er habe den Eindruck gehabt, sagt Sergej G, dass Wiens darunter litt, dass er keine Rolle für sich sehe: "Er hatte keine Vorstellung von der Zukunft, kein Ziel im Leben. Ich denke, das war einfach Hilflosigkeit."

Liegt es nahe, dass ein Mensch, der orientierungslos durchs Leben geht, sich aufwerten möchte durch die Abgrenzung zu anderen, die er als fremd und bedrohlich einstuft? Dass er, wenn er keine andere Rolle findet, sein Selbstbewusstsein und seine Identität aus seinem vermeintlich überwertigen Deutschtum bezieht?

Nachdem Alex Wiens wegen Beleidigung von Marwa el-Sherbini auf dem Spielplatz einen Strafbefehl über 330 Euro erhielt, legte er Widerspruch ein mit einem von ihm allein verfassten Schreiben, das eine Tür öffnet zu seiner Gedankenwelt: "Jeder weiß, dass Islam gefährliche und verrückte Religion ist", heißt es darin, "die alle Nichtislamisten für unrichtige Menschen halten, die entweder zu bekehren oder zu vernichten sind. (. . .) Angesichts des allen ist durchaus verständlich, dass ich sie für Feinde halte (. . .) Keiner auf ganzer Welt kann mir vorschreiben, dass ich Feinde in meiner Nähe tolerieren muss. (. . . ) Diese ,Frau', die ich angeblich beleidigt habe, trug ein Anzeichen von totaler religiöser Unterwerfung unter dem Männern und dem Satangott, nämlich ein Kopftuch. Damit hat sie Deutschland, seine Geschichte, seine Kultur und deshalb mich beleidigt."

Wie diese Ideen in den Kopf von Alex Wiens gerieten, hat auch eine sechstägige Beweisaufnahme nicht klären können. Eine Wohnungsdurchsuchung förderte kein Indiz dafür zutage, dass er je persönlich mit der rechtsextremen Szene in Berührung kam. Kein Poster, keine Flagge, keine rechtsradikale Musik, nichts. Vielleicht brauchte er das auch gar nicht. Die Auffassung, ein islamisches Kopftuch sei Kennzeichen für eine Gesinnung, die nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sei, wird akzeptiert in Deutschland. Eine kopftuchtragende Frau wird - höchstrichterlich gebilligt - auf dem Spielplatz, aber nicht hinter einem Lehrerpult geduldet. Und wer den Satz "Seit dem 11. September haben solche Monster kein Recht, in Deutschland zu leben" auf dem Boulevard zur Abstimmung stellen würde, könnte mit einer Zustimmung rechnen, die über der Fünf-Prozent-Hürde liegt.

Der Psychiater konnte keine Bewusstseinsstörung oder "seelische Abartigkeit" feststellen

Rätselhaft bleibt, wie die gedankliche Radikalität Wiens in eine so mörderische Aktion umschlagen konnte. Der Psychiater Stephan Sutarski, von dessen Anhörung das Gericht die Öffentlichkeit aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausschloss, er konnte bei Alex Wiens keine psychische Erkrankung, keine Bewusstseinsstörung, keine "seelische Abartigkeit" feststellen. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass Wiens seine Tat lange plante, dass er den Gerichtssaal schon mit der Absicht betrat, Marwa el-Sherbini zu töten. Das sei bewiesen durch die Tatsache, dass er die Tatwaffe, ein Messer mit 18 Zentimeter langer Klinge, im Rucksack bei sich trug. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das Gericht sich dieser Bewertung anschließen und Wiens wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilen wird.

Aber der Psychiater hat auch gesagt, Alex Wiens habe ihm gegenüber geäußert, die Frau (die er nicht ein Mal bei ihrem Namen nennt) habe, als sie nach ihrer Zeugenaussage aus dem Gerichtssaal gehen wollte, ein "triumphierendes Lächeln" auf den Lippen gehabt. Ist es abwegig anzunehmen, dass es für einen egozentrischen, leicht kränkbaren, von Rassenhass Besessenen unerträglich erschien, den "Triumph" einer als minderwertig verachteten Muslimin hinzunehmen?

Vielleicht musste Marwa Ali Mohamed el-Sherbini sterben, weil sie lächelte.

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