Afrika:Die Verlockungen der dritten Amtszeit

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Zerrissenes Land: Ein Junge mit einem Wahlplakat in Abidjan. (Foto: Issouf Sanogo/AFP)

Immer öfter lassen greise afrikanische Präsidenten die Verfassung ändern, um erneut kandidieren zu können. So wie Alassane Ouattara, der jetzt wieder Staatschef der Elfenbeinküste werden will. Doch die Opposition ist sicher: Er darf nicht.

Von Anna Reuß, München

An diesem Wochenende sind die Bürger der Elfenbeinküste aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Der 78 Jahre alte Alassane Ouattara ist 2010 in das Amt gekommen und tritt für eine weitere Amtszeit an - obwohl er dies nach Ansicht der Opposition nicht darf. Ouattara und seine Partei RHDP behaupten, er könne rechtmäßig auf Grundlage der neuen Verfassung von 2016 für eine dritte Amtszeit kandidieren.

In den zehn Jahren seiner Präsidentschaft hat sich das Land dramatisch verändert. Es war nach einem Bürgerkrieg bis 2003 faktisch geteilt, in den überwiegend muslimischen Norden und einen christlichen Süden. Eine UN-Mission konnte das Land stabilisieren. Auch sonst hat es sich unter Ouattara langsam erholt: Die Elfenbeinküste ist die größte Volkswirtschaft des frankophonen Westafrikas und gilt als regionales Wirtschaftszentrum. Allerdings warfen zwei Bürgerkriege und Gewalt das Land zurück. Noch heute ist das Vertrauen in die Institutionen gering: Laut einer Umfrage verlassen sich nur etwa 45 Prozent der Ivorer auf das Militär, die Polizei und die Gerichte.

Anfang des Jahres hatte Ouattara erklärt, dass er "die Macht der jungen Generation übertragen" werde. Im Juli starb sein vorgesehener Nachfolger jedoch, und Ouattara stieg wieder ins Rennen ein.

Alte Kleptokraten regieren junge Völker

Er ist nicht der einzige Staatschef auf dem Kontinent, der die Verfassung ändern ließ, um länger als vorgesehen Präsident bleiben zu können. Einige Thinktanks nennen diesen Trend das "Virus der dritten Amtszeit" und sehen darin eine Form des Staatsstreichs. Guineas Präsident Alpha Condé erzwang mit 82 Jahren ein Verfassungsreferendum, um in diesem Jahr für eine dritte Amtszeit kandidieren zu können. Der frühere Präsident Burundis, Pierre Nkurunziza, der mittlerweile tot ist, legitimierte auf ähnliche Weise seine Kandidatur für die Wahl 2015. Ihr Argument war immer dasselbe: Die neue Verfassung setze die Uhr auf Null.

Auffällig ist, dass vor allem greise Kleptokraten bereit sind, die Regeln zu biegen, während die Gesellschaften in den Ländern sehr jung sind: Das ostafrikanische Uganda ist das zweitjüngste Land der Welt. Dort ebnete ein Gericht Yoweri Museveni den Weg für die Wahlen im nächsten Jahr. Eigentlich darf ein Präsident höchstens 75 Jahre alt sein - der 76 Jahre alte Museveni ließ die Verfassung entsprechend ändern. Sollte er gewinnen, wird er vier Jahrzehnte lang regieren. In der Elfenbeinküste liegt das Durchschnittsalter der Menschen bei 19 Jahren. Ausgerechnet der 86-Jährige Henri Konan Bédié stilisierte sich im Wahlkampf zum Kandidat der Jugend. Auch der frühere Präsident Laurent Gbagbo, der als Herausforderer Ouattaras antreten wollte, ist 75.

Seit Ouattaras Kehrtwende, die er mit der Bewahrung von Frieden und Stabilität begründete, wird das Land von Gewalt erschüttert. Viele Ivorer gingen auf die Straße, bei Ausschreitungen wurden an die 20 Menschen getötet. Der verbliebene Gegner ist der Oppositionskandidat Kouadio Konan Bertin. Er forderte seine Anhänger auf, für ein Ende der Regierung von Präsident Ouattara zu stimmen, "anstatt Barrikaden zu errichten".

Ursprünglich wollten 44 Kandidaten antreten, die Wahlkommission schloss jedoch 40 von ihnen aus, darunter den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo und den früheren Premier Guillaume Soro. Andere Kandidaten, die antreten durften - Ex-Präsident Henri Konan Bedié und der einstige Premier Affi N'guessan - riefen ihre Anhänger auf, die Wahl zu boykottieren. Sie forderten den Rückzug Ouattaras und die Auflösung der Wahlkommission.

Der Präsident ignorierte allerdings die Forderungen. Bereits 2019 ließ er das Demonstrationsrecht einschränken. Einige Oppositionsführer wurden festgenommen. Für viele Menschen im Land ist die Wahl keine Möglichkeit mehr, den demokratischen Prozess zu mitzugestalten, sondern zu einem Instrument im Machtkampf der alten, politischen Eliten verkommen. Für sie steht nicht weniger als die Zukunft der Demokratie auf dem Spiel, wenn sich leichtsinnige Spielchen mir der Verfassung, wie sie Ouattara trieb, künftig wiederholen.

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