Afghanistan: Nato-General:Piloten schlugen Drohgeste vor

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Im Fall des Luftschlags nahe Kundus belastet der deutsche Nato-General Ramms Oberst Klein. Derweil gab Sachsen die Ermittlungen an die Bundesanwaltschaft ab.

Vor dem von der Bundeswehr ausgelösten Luftangriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan haben die US-Piloten wiederholt um Klarstellung des Befehls gebeten. Das erklärte der deutsche Nato-General Egon Ramms vor Journalisten in einer unterirdischen Kommandozentrale in Linnich in Nordrhein-Westfalen.

Ordnete den folgenschweren Luftschlag an: Oberst Georg Klein (Foto: Foto: dpa)

"Sie fragten die Bodenleitstelle, ob sie die Tanklastzüge zerstören oder auf die darum versammelten Personen zielen sollten", sagte Ramms. "Dann baten sie darum, mit einer Machtdemonstration die versammelten Leute zu verscheuchen, bevor sie Bomben auf die Tanklastzüge abwerfen."

Ramms gehört dem Allied Joint Forces Command der Nato an, dem unter anderem auch der Einsatz in Afghanistan untersteht. Er ist einer der ranghöchsten deutschen Offiziere.

Ein Fall für die Bundesanwaltschaft

Die Aussagen des Generals dürften den Kommandanten des deutschen Bundeswehrkontingents in Kundus, Oberst Georg Klein, belasten. Er hatte den Angriff angeordnet.

Bei dem Luftschlag waren laut Nato-Bericht zwischen 17 und 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Aufständische hatten die beiden Tanklastzüge an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt ungefähr sieben Kilometer südwestlich des Bundeswehr-Stützpunktes gekapert. Daraufhin war das Bombardement befohlen worden.

Derweil gab die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft die Causa an die obersten Ermittler in der Bundesrepublik ab: die Bundesanwaltschaft.

Nach Ansicht der sächsischen Behörde muss nun der Generalbundesanwalt prüfen, ob der Angriff auf die Lastwagen im Sinne des Völkerstrafrechts zulässig gewesen sei. Die Dresdner Ermittler schließen in ihrer juristischen Erläuterung nicht aus, dass in Afghanistan derzeit ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches stattfindet.

Verweis auf Regeln des humanitären Völkerrechts

Die Bundesanwaltschaft steht einer möglichen Übernahme von Ermittlungen wegen des Luftangriffs im afghanischen Kundus jedoch zurückhaltend gegenüber. Schon vor der Vorlage der Akten durch den Dresdner Generalstaatsanwalt seien Strafanzeigen in Karlsruhe eingegangen, heißt es in einer Mitteilung.

Bisher habe sich aber kein Anhaltspunkt für eine Übernahme der Ermittlungen ergeben: "Nach vorläufiger Bewertung der Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch." Allerdings werde die Auswertung der umfangreichen Unterlagen einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die Bundeswehr hatte die Anordnung damit gerechtfertigt, dass die Taliban mit den Tanklastwagen einen Anschlag auf das deutsche Lager in Kundus verüben könnten.

Wenn dieser bewaffnete Konflikt tatsächlich so zu charakterisieren sei, würde dies - so die sächsische Anklagebehörde - nicht nur zur Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches führen, sondern auch zu den Regeln des humanitären Völkerrechts. Dann könnten völkerrechtskonforme Militäreinsätze innerhalb des Mandats der Vereinten Nationen grundsätzlich gerechtfertigt sein.

Geheimer Bericht

Über den Zwischenfall liegt inzwischen ein als geheim eingestufter Untersuchungsbericht der Nato vor. Die Zahl der Opfer wird darin mit zwischen 17 und 142 angegeben. Diesen Bericht wollte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Mittag den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden erläutern.

Wie bekannt wurde, hat der deutsche Oberst mit seiner Anordnung nach Ansicht von Nato-Ermittlern gegen Befehle und Dienstanweisungen verstoßen. Dies gehe aus dem Untersuchungsbericht hervor, sagten hochrangige Nato-Offiziere am Donnerstag der dpa in Brüssel.

Vor allem hätte Klein nicht selbst die Bombardierung durch US-Kampfjets anordnen dürfen. Die Entscheidung zur Bombardierung hätte nur der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, treffen dürfen. Die von McChrystal beauftragten Untersucher seien - so Nato-Militärangehörige - zu dem Ergebnis gekommen, "dass der Vorfall nicht hätte passieren können, wenn alle Befehle und Vorschriften eingehalten worden wären".

Guttenberg will in der vertraulichen Runde seine Bewertung der 75- seitigen Expertise darlegen, die dem Ministerium am Tag seiner Amtsübernahme am 28. Oktober übermittelt worden war. Er wird sich danach auch erstmals öffentlich zu dem Luftangriff äußern. Das Verteidigungsministerium dementierte am Donnerstagabend einen Zeitungsbericht, wonach sich der Minister dabei von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan distanzieren werde.

Der Vier-Sterne-General hatte in der vorigen Woche erklärt, er sehe die Bundeswehr durch den Nato-Bericht entlastet und habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Oberst militärisch angemessen gehandelt habe. Klein ist inzwischen wieder bei seinem Heimatverband in Sachsen.

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