Affäre um Merkel-Handy:Gabriel stellt EU-Freihandelsabkommen mit USA in Frage

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Ohne Klärung kein Vertrag: SPD-Chef Gabriel fordert, wegen der Spähaffäre um das Handy der Kanzlerin das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auf Eis zu legen. Einen Seitenhieb auf Merkel und ihren Kanzleramtschef Ronald Pofalla kann er sich dabei nicht verkneifen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht wegen der Abhöraffäre um das Merkel-Handy die Verhandlungen über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA in Gefahr. Dieses Vertragswerk dürfe nicht abgeschlossen werden, ohne zuvor zu klären, "dass die Freiheitsrechte der Bürger gesichert werden", sagte Gabriel nach einem Treffen mit dem französischen Sozialistenchef Harlem Désir in Berlin.

Jetzt sei eine klare und eindeutige Antwort Europas auf die Abhöraffäre um den US-Geheimdienst NSA gefordert. Die Amerikaner müssten die im Grundgesetz verankerten Freiheits- und Persönlichkeitsrechte respektieren. Es sei zwar empörend, wenn Staats- und Regierungschefs abgehört würden, aber es sei "mindestens genauso empörend, dass jeder normale Bürger abgehört wird". Dies hätten jetzt aber auch Merkel und ihr Kanzleramtschef Ronald Pofalla (beide CDU), der die NSA-Affäre im Sommer bereits für beendet erklärt hatte, "am eigenen Leib erfahren".

Auch Frankreichs Sozialisten-Chef Désir sagte, es sei inakzeptabel, dass jeder abgehört werden könne. Es gehe nun darum, das Privatleben der Menschen zu schützen. Er verwies auch auf Konsequenzen für Unternehmen: "Es geht um Patente, um Kenntnisse im Handelsbereich", sagte Désir. Auch er sprach sich dafür aus, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA vorerst zurückzustellen.

Am Mittwochabend hatte die Bundesregierung mitgeteilt, ihr lägen Informationen vor, wonach das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel von US-Geheimdiensten überwacht wurde. Die Europäische Union verhandelt derzeit mit den USA über ein Freihandelsabkommen. Als Reaktion darauf hatten auch Vertreter von CDU und FDP aus dem Europaparlament die enge Kooperation von EU und Vereinigten Staaten in Frage gestellt. Gregor Gysi, Linke-Fraktionschef im Bundestag, forderte "nicht nur Proteste, sondern ernstzunehmenden Widerstand".

Wirtschaft warnt vor Scheitern des Freihandelsabkommen

Die deutsche Wirtschaft warnt vor einer Belastung der transatlantischen Handelsgespräche durch die Affäre um das vermutlich vom US-Geheimdienst abgehörte Handy von Bundeskanzlerin Merkel. "Politischer Stillstand in den USA und wachsendes Misstrauen dürfen das Freihandelsabkommen nicht blockieren", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber. Die Unternehmen verlangten eine zügige Fortsetzung der Verhandlungen über eine Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA. "Das Abkommen hat eine enorme ökonomische, politische und strategische Bedeutung für Europa und Amerika", sagte Kerber.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht das ebenso. "Die jüngsten Vorfälle machen den Start der Verhandlungen für ein umfassendes Freihandelsabkommen nicht leichter", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zu Reuters.

© Süddeutsche.de/Reuters/AFP/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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