AfD:Ungereimheiten in den Bilanzen

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Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker trat zurück – aus Protest gegen ihren Chef Georg Pazderski. (Foto: imago images/Jens Jeske)

Schwere Vorwürfe zu den Fraktionsfinanzen spalten den Berliner Landesverband der Rechtspartei.

Von Markus Balser, Berlin

Das vertrauliche Papier, das in diesen Tagen einen ganzen Landesverband der AfD aufwühlt, hat nur 16 Seiten. Ein Hamburger Wirtschaftsprüfer hatte im Auftrag der Berliner AfD-Fraktion im März deren Finanzen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis fiel nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wenig schmeichelhaft aus und blieb bislang unter Verschluss: Die AfD habe sich zwar strikte Regeln auferlegt. Nur fehle es an der Bereitschaft zu einer "konsequenten Einhaltung bzw. Umsetzung", lautete das Fazit. Unmissverständlich warnt der Prüfer gar vor drohenden finanziellen Folgen für die Fraktion: Es bestehe ein "nicht unerhebliches Risiko", dass es zu Rückforderungen durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses kommen könne.

Die Vorwürfe lassen den aktuellen Machtkampf in der Fraktion in neuem Licht erscheinen. Denn erst am Dienstag war die stellvertretende Fraktionschefin Kristin Brinker zurückgetreten - aus Ärger über die mangelnde Aufklärung offener Finanzfragen. Sie bemühe sich schon seit Monaten darum, Licht in das "teilweise undurchsichtige und offenkundig nicht revisionssichere Finanzgebaren der AfD-Fraktion zu bringen", schrieb sie im Anschluss in einer persönlichen Erklärung. Doch unter der gegenwärtigen Führung lasse sich die Sache kaum aufklären. Offenkundiger Adressat der Wut: Fraktionschef Georg Pazderski.

Glaubt man dem Bericht des Wirtschaftsprüfers, ist Aufklärung dringend nötig. Denn die Liste der Vorwürfe für den Untersuchungszeitraum September 2016 bis Dezember 2019 ist dem Gutachten zufolge lang. Offen ist demnach bereits, ob die verwendete Bilanzsoftware den offiziell geforderten Standards genügt. Das System der Buchführung sei "nicht dokumentiert, heißt es. Unklar sei etwa, ob es gelöschte oder stornierte Buchungen protokolliere. Und das ist nicht die einzige Ungereimtheit. Offenbar seien "selbständig Posteingangsstempel und ,Genehmigt'- bzw. ,Zur Zahlung freigegeben'-Stempel angefertigt und eingesetzt" worden, heißt es in dem Bericht weiter. Diese Beispiele widersprächen den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung.

Den sehr kritischen Berichteines Wirtschaftsprüfers hält der Fraktionschef für "manipuliert"

Schludrig ging es demnach auch bei der Abrechnung von Ausgaben zu. So weise eine Budgetposition "Sommerfest" im Kontrollplan für 2019 Ist-Ausgaben von 32 935,23 Euro aus. Die tatsächlich bezahlten und verbuchten Beträge lägen jedoch nur bei 19 237,14 Euro. Der Rest sei tatsächlich anderen Positionen zuzuordnen. Auch die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung sei nicht durchgehend beachtet worden. Bei Rahmenverträgen mit Firmen fehlten teils Leistungsbelege, bei Aufträgen der Belege für das Einholen von Alternativangeboten. Der Prüfer weist die Fraktion freundlich auf Selbstverständlichkeiten hin. "Wir empfehlen der Fraktion im Hinblick auf mögliche Prüfungen durch den Rechnungshof, die Verwendung von Präsenten und Aufmerksamkeiten (Kugelschreiber, Champagner, etc.) ab einer festzulegenden Kostengröße unbedingt zu dokumentieren", heißt es weiter.

Die Aufklärung sei zuletzt intern erschwert worden, kritisieren Fraktionskreise. Ein Beschluss der Fraktion, die Finanzen künftig von einem externen Anbieter führen zu lassen, wurde am Dienstag von der Mehrheit der Fraktion wieder kassiert. Die für die Übergabe zuständigen Mitarbeiter der AfD waren zuvor bereits fristlos beziehungsweise noch in der Probezeit entlassen worden.

Pazderski weist die Vorwürfe am Donnerstag zurück. Er sieht im Bericht selbst das Problem. Das Papier sei "massiv manipuliert" worden und deshalb "wertlos". Das eigentlich entlastende Gutachten sei vor der Übermittlung an die Abgeordneten unter Führung von Fraktionsgeschäftsführer Andreas Einfinger und Kristin Brinker umgeschrieben worden, behauptet Pazderski. Entlastende Sätze seien gestrichen worden. Der Fraktion lägen umfangreiche Belege dazu vor. Brinker nennt solche Vorwürfe "vollkommen absurd". Die Öffentlichkeit solle getäuscht werden, schreibt sie in ihrer Erklärung.

Eine Klärung dürfte dauern. Denn der Streit über die Vorwürfe könnte vor Gericht landen. Einzelne Beteiligte prüfen rechtliche Schritte. Anders als beim Streit auf Bundesebene spielt bei den Auseinandersetzungen im Berliner Landesverband der Machtkampf zwischen gemäßigtem Lager und dem Flügel nur eine untergeordnete Rolle. Die führenden Protagonisten werden den Gemäßigten der AfD zugerechnet. Für die Fraktion kommt er zur Unzeit. Bereits in einem guten Jahr findet die Bundestagswahl statt. Brinker warnt in ihrer Erklärung: Wie unter diesen Umständen für den Rest der Legislaturperiode eine konstruktive Oppositionsarbeit der AfD-Fraktion möglich sein solle, sei völlig unklar.

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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