AfD in Niedersachsen:Ermittlungen und Intrigen bei der AfD Niedersachsen

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Niedersachsens AfD-Chef Armin-Paul Hampel sieht einen politischen Missbrauch der Justiz. Die zeitliche Nähe zwischen der Hausdurchsuchung und der Landtagswahl falle jedem auf, sagt er am Abend bei einer Pressekonferenz in Hannover. (Foto: dpa)

In der Niedersachsen-AfD herrscht vor der Landtagswahl ein Zirkus, der selbst erfahrene Politikbetrachter frappiert. Die Schuldigen sind für die Partei klar: die politischen Gegner.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Holger Pieters ist auch einer von diesen AfD-Aussteigern. Vergangene Woche hat der Kreistagsabgeordnete aus Leer seine Entscheidung öffentlich gemacht mit einer sehr deutlichen Pressemitteilung. "AfD - heute extrem völkisch, mit Reichsbürgergedankengut, eine NPD-Nachfolgeorganisation", lautete der Titel. Jetzt kann Pieters mit stillem Genuss zusehen, wie der niedersächsische Landesverband der neuen Bundestagspartei seine verschiedenen Krisen verwaltet.

In der aktuellsten geht es um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel. Die Anzeige dazu stammt aus dem April, Hampel, 60, ein früherer ARD-Korrespondent und künftiger Bundestagsabgeordneter, soll Parteigeld abgezweigt haben.

Pieters ist nicht überrascht: "Ich habe mal gefordert, einen Wirtschaftsprüfer einzusetzen, um die Parteifinanzen zu kontrollieren. Das war Mitte 2016. Das wurde nicht gemacht. So hätte man vieles vorher schon klären können, so dass es der Partei jetzt nicht auf die Füße gefallen wäre." Armin-Paul Hampel hält er für einen rechtslastigen Partei-Despoten, der mehr für sich als für politische Inhalte kämpft.

Man ist mittlerweile einiges gewohnt von der AfD und ihren Populisten, die sich ständig mit anderen Populisten überwerfen. Aber in der Niedersachsen-AfD herrscht vor der Landtagswahl am Sonntag ein Zirkus, der selbst erfahrene Politikbetrachter frappiert. Die polizeiliche Durchsuchung der Privatwohnung Hampels und der Lüneburger AfD-Landesgeschäftsstelle ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Episoden, die alle zeigen: In dieser Partei läuft einiges schief.

Im Juni machte sie zum Beispiel Schlagzeilen, weil sie mit gefälschten Bestätigungsschreiben den Eindruck widerlegen wollte, sie habe ihre Landesliste für die Bundestagswahl noch nicht bei der Landeswahlleiterin abgegeben. Davor gab es Vorwürfe, Gegner des Vorsitzenden Hampel würden gemobbt.

Bei der Spitzenkandidatenkür zur Landtagswahl im August wurde dann immerhin eine erklärte Hampel-Gegnerin gewählt: Dana Guth, 47, Immobilien- und Versicherungsmaklerin aus Herzberg am Harz. Das war im Grunde ein Zeichen dafür, dass nicht nur Hampels Linie zählt im Landesverband. Allerdings gilt Dana Guth als ähnlich herrisch wie Hampel.

Vor wenigen Tagen wurde sie daher von ihrer Fraktion aus dem Göttinger Kreistag komplimentiert. "Frau Guth meint, sie kann überall das Kommando an sich reißen", erklärte Fraktionschef Frank Rathmann in der Syker Kreiszeitung. "Nichts weiter als eine kleine parteiinterne Intrige", sagte Guth, die per Eilantrag vor dem Göttinger Verwaltungsgericht ihre Wiedereinsetzung erwirkte. Der schlechte Eindruck bleibt trotzdem.

Hampel gibt dem "politischen Gegner" die Schuld

Hampel wiederum hatte bei einer Versammlung im August den früheren Landesschatzmeister und heutigen Vize-Schatzmeister der Bundes-AfD, Bodo Suhren, so heftig angegangen, dass dieser Anzeige wegen übler Nachrede erstattete. Und nun rückt also auch noch die Polizei bei Armin-Paul Hampel an.

Das Ermittlungsverfahren geht auf einen Betrugsverdacht zurück. Hampel soll ein professionelles Kameraequipment nebst Zubehör an den niedersächsischen Landesverband der AfD verkauft und nicht geliefert haben. Außerdem soll er einen Wahlwerbespot bei der Niedersachsen-AfD doppelt abgerechnet haben. Hampel bestreitet das. Bisher hat sich der Verdacht nicht erhärtet. Die Ermittlungen laufen.

Am Dienstagabend äußerte Hampel sich in Hannover - und wiederholte, was er schon vor der Untersuchung behauptet hatte: Er vermute ein politisches Motiv, Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) habe ein Instrument genutzt. "Die Justiz wird politisch missbraucht, um missliebige Parteikonkurrenz auszuschalten", sagte Hampel. Die zeitliche Übereinstimmung zwischen der Hausdurchsuchung und der anstehenden Landtagswahl falle jedem auf.

AfD-Politiker sehen sich im Grunde ständig von Intrigen verfolgt. Im Fall Hampel glaubt Holger Pieters allerdings eher, dass dessen Arbeitsweise die Ursache des Übels ist. "Verheerend" sei diese nämlich. "Er hält seine Reden, aber ist nicht da, um Sachen voranzutreiben", sagt Pieters über Hampel. Nach seiner Darstellung ist es ein ziemlich zerfurchtes Gebilde, das am Sonntag in Niedersachsen unter dem Kürzel AfD zur Wahl steht. "Die Gräben", sagt Holger Pieters, "ziehen sich über sämtliche Lager der Partei hinweg."

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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