AfD:Ein Feigenblatt

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Die Gruppe "Juden in der AfD" soll den latenten Antisemitismus unter den Rechtspopulisten kaschieren. So verspricht sich die Partei neue Wähler aus dem bürgerlichen Milieu. Ein durchschaubarer Trick.

Von Ronen Steinke

Dass es so wenige Juden in Deutschland gibt, führt in der Politik manchmal zu einer kuriosen optischen Täuschung. Es genügt schon, wenn irgendwo zwei, drei, vier Juden für dieselbe politische Partei antreten. Schon sieht es aus wie ein Trend, ein statistisch signifikantes Ereignis, das Rückschlüsse auf Größeres zulässt.

In Hessen bewirbt sich gerade ein jüdischer Maschinenbauingenieur, Dimitri Schulz, für die AfD um ein Mandat im Landtag. In Baden-Württemberg kandidierte im vergangenen Jahr ein ehemaliges Mitglied des Zentralrats der Juden, Wolfgang Fuhl, für einen AfD-Bundestagssitz. Gemeinsam wollen sie jetzt eine Vereinigung "Juden in der AfD" ins Leben rufen, am nächsten Sonntag in Offenbach soll der Gründungsakt vollzogen werden. Angekündigt hat sich auch Beatrix von Storch aus dem Parteivorstand, die schon lange betont, die AfD sei "einer der wenigen politischen Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration". Heißt das, die Juden laufen alle zur AfD? Natürlich nicht. Aber der Eindruck kann erweckt werden, weil die Gesamtheit der Juden in diesem Land so klein ist.

Tatsächlich bemüht sich die AfD besonders um jüdische Wähler. Das ist erstaunlich genug. Die Partei tritt sonst nicht als Schutzmacht von Minderheiten auf. Zu ihrem sogenannten Markenkern gehört, dass sie genau das nicht ist. Sie behauptet, sie schütze die Interessen einer angeblichen Mehrheit vor den angeblichen Sonderwünschen einer Minderheit. Die AfD-Oberen wissen natürlich, dass Juden nicht einmal zwei Promille der Wahlberechtigten ausmachen. Es gibt zwar keine demoskopischen Erkenntnisse darüber, ob jüdische Deutsche öfter zur SPD Fritz Bauers neigen oder zu den Grünen Daniel Cohn-Bendits, zur CDU Michel Friedmans oder zur FDP Ignatz Bubis'. Doch wenn die AfD-Chefs sich als Freunde der Juden inszenieren, dann schielen sie auch nicht ernsthaft auf diese winzige Wählerschaft. Vielmehr spricht die AfD eine Gruppe von potenziellen nichtjüdischen Wählern an, die hundertmal größer ist. Es sind die vielen unentschlossenen Rechtswähler, die sich selbst nicht als rechts bezeichnen würden.

Die Rechtspopulisten wollen mit jüdischen Mitgliedern ihren latenten Antisemitismus decken

Die meisten sind männlich, viele sind gut ausgebildet. Ihr Bauch sagt: Ausländer raus. Der Kopf sagt: So darf man das nicht sagen. Es sind Menschen, die zuletzt vielleicht CDU oder SPD gewählt haben. Für historischen Mief, zumal für den Gestank, den eine Holocaust-Rede wie jene des AfD-Rechtsaußen und Landeschefs Björn Höcke aussondert, ist ihre Nase noch nicht immun. Da meldet sich ein Ekelreflex, das geht gegen die bürgerliche Kinderstube. Wenn ein Landtagsabgeordneter der AfD in Büchern von zionistischer Weltverschwörung schwafelt, dann schmerzt das die AfD-Oberen nicht deshalb so sehr, weil es ein paar jüdische Wählerstimmen kosten könnte, die es vielleicht gar nicht gibt. Es schmerzt, weil es die bürgerliche Klientel verschreckt.

So kommen die "Juden in der AfD" gerade recht. Es nützt, wenn Storch betont: "Jüdisches Leben und jüdische Tradition gehören zu Deutschland." Man beteuert gewissermaßen, dass man stubenrein sei, und man erleichtert es bürgerlichen Vielleicht-Wählern, ihren Ressentiments gegen andere Minderheiten - in erster Linie Muslime - ihren Lauf zu lassen. Juden kommt in diesem Spiel nur die Rolle der nützlichen Idioten zu.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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