Frauke Petry, das muss Tim Lochner mal sagen, Frauke Petry ist eine der "klügsten und schlagfertigsten Frauen, die ich jemals getroffen habe". Er kann sich noch erinnern, wie sie bei einer Diskussionsveranstaltung Störer zusammengefaltet hat. Lochner ist Tischlermeister in Pirna. Hier im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge holte die AfD bei der Bundestagswahl ein Spitzenergebnis von 35 Prozent. Frauke Petry sicherte sich das Direktmandat. Eine Revolution im traditionell CDU-regierten Sachsen.
Doch direkt nach der Wahl erklärte Petry, sie wolle nicht der Fraktion angehören. "Ich war enttäuscht", sagt Lochner, der Petry seine Erststimme gab. 2016 ist er aus der CDU ausgetreten, weil er sich nicht mehr repräsentiert fühlte, nicht in der Landes-CDU und schon gar nicht in der Mutterpartei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die AfD hat er aus Protest gewählt, weil ihm eine schlagkräftige Opposition fehlte.
Nach der Bundestagswahl:Petry kündigt Austritt aus der AfD an
Nach ihrem Rückzug aus der AfD-Bundestagsfraktion will Petry auch die Partei und die Fraktion im Sächsischen Landtag verlassen. Ihr Ehemann Marcus Pretzell, AfD-Fraktionschef in Düsseldorf, wird ihr offenbar folgen.
Dass Petry ihre Entscheidung spontan fällte, daran glaubt Lochner nicht. Ebenso wenig wie Ute-Maria Frost, die sich von Petry getäuscht fühlt: "Die hat uns allen was vorgemacht", sagt die Freitaler Stadträtin. Als Teile des Kreisverbandes Petry zwischenzeitlich nicht mehr als Spitzenkandidatin aufstellen wollten, hatte sich Frost für sie starkgemacht und Unterstützer mobilisiert. Erfolgreich. Auf einem Parteitag des Kreisverbandes stimmte die Mehrheit gegen den Antrag. Petry konnte antreten.
Wahlkampf in der Turnhalle: Wer eine Frage stellt, muss Körbe werfen
Ihr Wahlkampf war nicht einfach. Eine Diskussionsrunde in Pirna musste zunächst abgesagt werden, weil die Veranstalter Bedenken hatten. Klassische Auftritte auf Marktplätzen vermied Petry plötzlich, wie zuletzt in Görlitz. Dafür trat ihr Intimfeind Jörg Meuthen in Sachsen auf, obwohl der eigentlich in Baden-Württemberg beheimatet ist. Die Frage stand im Raum, ob Petrys Gegner im Kreisverband versuchten, ihren Wahlkampf zu manipulieren.
Wer voll hinter Petry stand, suchte nach kreativen Lösungen. Kurz vor der Wahl sollte in einer Sporthalle eine Diskussion mit Petry stattfinden, die die Stadt jedoch untersagte. Mit der Begründung, in der Halle dürften nur Sportveranstaltungen stattfinden. Lochner war damals einer der Organisatoren. Als ehemaliges Mitglied im CDU-Kreisverband wusste er, dass in der Halle durchaus politische Veranstaltungen stattgefunden hatten. Er glaubt bis heute an eine politische Absicht hinter der Absage. Kurzum meldete der Verein eine Sportveranstaltung an. Petry kam in Turnschuhen. Jeder, der eine Frage stellen wollte, musste einen Basketball auf den Korb werfen.
Die Freude über diesen Streich und den späteren Wahlerfolg währte nicht lange. Nach Petrys Ankündigung, fraktionslos in den Bundestag einziehen zu wollen, forderte der Kreisverband sie zum Austritt aus der Partei aus. Dem will sie nun nachkommen, das Mandat wird sie jedoch behalten. "Jetzt muss ich ihre Wahlplakate abhängen, mit der traurigen Gewissheit, dass sie uns nicht vertreten wird", sagt Stadträtin Ute-Maria Frost.
Weidel hat "keine Sorge" vor Petrys neuer politischer Initiative
Nach ihrem Rückzug bereitet Frauke Petry derweil eine neue politische Initiative vor. Unklar ist aber noch, ob es sich um eine Partei handeln soll. Petry teilte dazu mit, sie bitte um Geduld. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Petry sich bereits lange vor der Bundestagswahl eine Internet-Adresse mit dem Namen "Die Blauen" eintragen und registrieren ließ. Dies soll aber nicht zwingend der Name einer neuen Partei sein, hieß es aus ihrem Umfeld. Sie selbst erklärte in Dresden, "Blau" stehe für eine Idee. Marcus Pretzell sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, die bayerische CSU sei ein Vorbild, ebenso wie die Bewegung En Marche des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Ehemann Petrys hatte am Dienstag den AfD-Fraktionsvorsitz in Nordrhein-Westfalen niedergelegt und seinen Parteiaustritt angekündigt.
Bisher sind aber nur wenige Parlamentarier diesem Kurs gefolgt. Noch ist auch unklar, ob sich Petry weitere der 93 neu gewählten Bundestagsabgeordneten der AfD anschließen wollen. Die neue Fraktion wählte am Mittwoch ihren erweiterten Vorstand, angeführt wird sie von den bisherigen Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Als Bundestagsvizepräsidenten schlug sie Albrecht Glaser vor, AfD-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl im Februar. Er setzte sich in einer Stichwahl gegen Paul Hampel durch. Wilhelm von Gottberg, umstritten wegen relativierender Äußerungen zum Holocaust, war in der ersten Runde ausgeschieden. In der Geschäftsordnung des Bundestags ist festgelegt, dass jede Fraktion mindestens einen Stellvertreterposten im Präsidium bekommt. Allerdings müssen alle Vizepräsidenten mit Mehrheit gewählt werden. Zu einer möglichen Parteineugründung sagte Weidel: "Das macht uns überhaupt keine Sorge."
Wird Ute-Maria Frost nun Petry folgen? "Nein".