Äthiopien:Ras Tafari und die Rastafari

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Das Land im Nordosten Afrikas gibt an seine wunderlichen Einwanderer nun Pässe aus.

Von Bernd Dörries

Man kann nicht sagen, dass Shashemene aussieht wie der Ort der Erlösung. Es gibt eine Hauptstraße und flache Gebäude. Und eine erstaunliche Dichte von Menschen mit Rastazöpfen, die man sonst in Äthiopien selten sieht. Manche kamen vor Jahrzehnten aus Jamaika, manche vor Monaten aus der Oberpfalz. Die Rastafari wanderten zu Tausenden aus in das arme Land, um zum Ort der Erlösung zu gelangen. Und etwas Marihuana zu rauchen. So sieht es ihre Religion vor.

Sie eröffneten hier in Shashemene, im Süden Äthiopiens, das "One love"-Café und den "Rasta Shop". Und wurden doch nie so richtig heimisch. Sie bekamen weder Pässe noch Arbeit, sie hausten als Staatenlose in ihren Hütten. Ein Exodus ohne Ankommen, so schien es zu sein - bis vor ein paar Tagen die äthiopische Regierung beschloss, den Rastafari Ausweise auszustellen, "für ihre besondere kulturelle Leistung in den vergangenen Jahren". Es ist ein kleines Happy End einer Bewegung, die Bob Marley einst als "Exodus - Movement of Jah People" besang. Und die im Westen oft missverstanden wird. Rastafari sind hier einfach Typen, die Wollmützen tragen, ihre Haare zu Zöpfen drehen und zu viel kiffen. Eine Jugendphase, die auch viele in Bielefeld mal durchmachen. Die Idee war einst eine andere.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten die Nachfahren afrikanischer Sklaven in der Karibik einen schwarzen Zionismus zu begründen. Eine Antwort auf das Trauma der Versklavung. Der Jamaikaner Marcus Garvey war einer der Vordenker der Rückkehr auf den schwarzen Kontinent und machte in den 1920ern eine Prophezeiung. "Ein schwarzer König wird geboren. Er soll unser Erlöser sein." 1930 wurde in Äthiopien tatsächlich ein Schwarzer zum Kaiser gekrönt: Ras Tafari Makonnen, der sich fortan Haile Selassie nannte. Straßenprediger auf Jamaika verkündeten es als die frohe Botschaft, die Verehrer des Kaisers nannten sich Rastafari, eine Religion entstand: aus Mythen, Heilserwartungen, etwas Altem Testament und dem Kaiser als der Wiedergeburt Christi. Äthiopien war deshalb das gelobte Land, weil es als einziges in Schwarzafrika nie kolonisiert wurde.

Der Kaiser wollte zwar der absolute Herrscher von Äthiopien sein, er legte es aber nicht darauf an, als Messias zu gelten. Von der Verehrung war er ebenso irritiert wie gerührt und gab den Rastafari 200 Hektar Land in Shashemene. Zuerst kamen nur wenige. Der Exodus aus Jamaika begann, nachdem der Kaiser 1966 die Insel besuchte, Hunderttausende jubelten ihm zu. Tausende machten sich auf nach Äthiopien, es war die Zeit, als Bob Marley begann, den Soundtrack zum Rastatum zu liefern.

1979 kam Marley selbst dort vorbei. "Africa Unite" ist einer seiner großen Hits, aber in Shashemene fanden Äthiopier und Rastafari kaum zusammen: Für viele Äthiopier war Haile Selassie einfach einer, der während der Hungersnot im Palast große Buffets gab. Die Kifferei der Rastafari kam bei ihnen auch nicht unbedingt gut an. Erst die steigende Popularität des Reggae schaffte die Annäherung. Bald sollen die neuen Pässe kommen. Ras King, Rastafari und 1982 eingewandert, sagt: "Wir sind sehr glücklich. Das bestätigt die Vision unserer Vorfahren in ein vereintes Afrika."

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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