Ägypten:Sisis Staat

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Das bevölkerungsreichste Land Arabiens könnte wieder in die Diktatur abkippen. Präsident Sisi nimmt die Wahl als Bestätigung für seinen autoritären Kurs. Er sollte dafür nicht noch belohnt werden.

Von Paul-Anton Krüger

Abdel Fattah al-Sisi ist in Ägypten wie erwartet im Präsidentenamt bestätigt worden. Es wäre aber ein Trugschluss zu glauben, dass damit Stabilität im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt herrscht, wie es sich auch die Bundesregierung wünscht. Das fängt mit der Wahl an, die demokratischen Kriterien nur noch der Form nach entsprach: Die Kandidatur von Moussa Mustafa Moussa, der in letzter Minute gegen Sisi ins Rennen geschickt wurde, ist ein Witz, über den viele Ägypter lachen. Eher machten die Wähler ihre Stimmzettel ungültig, als für Moussa zu votieren. Alle ernsthaften Gegenkandidaten waren zuvor kaltgestellt worden. Die Beteiligung wurde mit einer Mischung aus Drohungen und Anreizen auf 41 Prozent gehoben. Daraus erwächst kaum Legitimität.

Das alles wird Sisi wenig beeindrucken. Er wird das Ergebnis als Erneuerung seines "Mandates" werten - für ihn ein Schlüsselbegriff: Sisi nahm die Massenproteste im Sommer 2013 als Ermächtigung wahr, die in den Augen vieler Ägypter gescheiterte Herrschaft der Muslimbruderschaft zu beenden. Er fasste seine Wahl 2014 als Mandat auf, das Land zunehmend autoritär zu regieren. Er erliegt demselben Missverständnis von Demokratie wie einst die Muslimbrüder. Bei Sisi erschöpft sie sich in Wahlen und verlangt weder Diskurs noch politische Teilhabe.

Das bevölkerungsreichste Land Arabiens steht am Scheideweg

Sisis Geheimdienste haben wichtige Medien aufgekauft und gefügig gemacht. Durch Personalrochaden an der Spitze des Sicherheitsapparates hat der Präsident einen autoritären Polizeistaat in ein System verwandelt, in dem er alles kontrolliert. Wenn nun das willfährige Parlament die Amtszeitbegrenzung aus der Verfassung streicht oder die Amtsperiode verlängert, ist die neue Diktatur am Nil perfekt.

Es ist mehr als fraglich, ob Ägypten die gewaltigen Herausforderungen so meistern kann: Die Bevölkerung von 95 Millionen Menschen wächst pro Jahr um 2,5 Millionen; Staat und Wirtschaft müssten 750 000 Arbeitsplätze pro Jahr schaffen, um die Absolventen des maroden Bildungssystems zu versorgen. Und diese Zahl wird weiter steigen. Die Regierung schmückt sich mit positiven volkswirtschaftlichen Indikatoren: fünf Prozent Wachstum, mehr als 40 Milliarden Dollar Devisen-Reserven. Doch das Wachstum schafft kaum Arbeitsplätze. Um eine größere Zahl von Menschen aus der Armut zu holen, müsste es zweistellig sein. Und die Devisen sind geliehen. Wenn Kairo in wenigen Jahren seine Auslandsschulden zu tilgen beginnen muss, ist die nächste Krise absehbar. Erkauft wurden die Kredite überdies mit einer Abwertung der Währung um mehr als die Hälfte - eine brutale Enteignung der Mittelschicht. Der Anteil der Menschen, die in Armut leben, ist von 27 Prozent vor der Abwertung nochmals deutlich gestiegen.

Überdies kontrolliert das Militär nach unabhängigen Schätzungen mindestens ein Drittel der Wirtschaft. Sisi setzt auf fragwürdige Megaprojekte wie den Ausbau des Suez-Kanals. Zehn Milliarden Dollar wurden investiert - ohne Wirkung: Die Zahl der Passagen und die Einnahmen stagnieren. Jetzt wird noch mehr Geld für den Bau einer neuen Hauptstadt in der Wüste verpulvert, statt die heruntergekommene Infrastruktur in Kairo zu erneuern.

Was Ägypten bräuchte, ist eine lebendige Zivilgesellschaft, eine lebhafte Debatte über politische, wirtschaftliche und soziale Fragen und eine verantwortliche Führung, die Rechenschaft gibt, und nicht jede Kritik als Verrat niederkartätscht. Der neuen Bundesregierung ist im Koalitionsvertrag aufgegeben, die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Ägyptens weiter zu unterstützen. Das kann nicht gelingen, wenn man nur gelegentlich, quasi als Alibi, die Menschrechtsbeauftragte vorschickt und die Kanzlerin zugleich ungebundene Darlehen als Budgethilfe nach Kairo bringt. Das wird in Kairo völlig zu Recht als Carte blanche verstanden.

Hinter diesen Krediten steht ein heimlicher Deal, der freilich auch nicht funktionieren wird: Sisi soll Europa ein weiteres Migrationsproblem vom Halse halten. Ja, die ägyptische Küstenwache ist recht effektiv. Aber die Jungen, die Gebildeten verlassen das Land. Sie haben die Hoffnung verloren, sehen keine Perspektiven. Migrationsforscher und Geheimdienste haben das als Frühwarnzeichen für eine bevorstehende Massenmigration identifiziert. Es wird Zeit, jegliche Hilfe für Ägypten an Konditionen zu binden. Mit gutem Zureden ist nichts mehr zu erreichen.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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