Ägypten: Festnahmen im Mubarak-Clan:Gerechtigkeit sieht anders aus

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Demonstranten werden hart verurteilt, die Mitglieder des Unrechtsregimes dürfen mit milden Urteilen rechnen. Die Untersuchungshaft gegen Mubarak ist noch kein Urteil gegen die Verbrechen von einst. Die Ägypter verlieren die Geduld.

Sonja Zekri, Kairo

Kommt es zur Anklageerhebung gegen Hosni Mubarak, dann wird Ägyptens gestürzter Ex-Präsident vor ein Zivilgericht gestellt und nicht vor ein Militärgericht. Tausende Oppositionelle wurden dagegen seit dem offiziellen Ende der Diktatur vor zwei Monaten von Militärgerichten verurteilt, zuletzt Mikail Nabil Sanad zu drei Jahren Haft wegen Kritik an der Armee. Und Dutzende Protestierende wurden am Freitag auf dem Tahrir-Platz festgenommen und einem Militärstaatsanwalt vorgeführt.

Dass sie große Fußball-Fans sind, wissen die Ägypter; dass sie sich bereichert haben, ebenfalls: Alaa und Gamal Mubarak, Söhne des Ex-Präsidenten, auf der Tribüne bei einem Spiel Ägyptens im Afrika-Cup 2010. Beide sitzen nun in Untersuchungshaft. (Foto: AFP)

Doch der Geschäftsmann und Funktionär der einstigen Regierungspartei NDP, Ibrahim Kamel, der mitverantwortlich sein soll für die Gewalt auf dem Tahrir, wurde einem Zivilgericht übergeben. Mehr noch: Die Verfahren gegen Ex-Innenminister Habib El-Adly und den Stahlmagnaten Ahmed Ess obliegen der Zuständigkeit eines Richters, der zu Mubaraks Zeiten harte Urteile gegen Oppositionelle verhängt hat und unter Bestechungsverdacht steht.

"Die Justiz handelt wieder", jubelte der Revolutionsblogger und Google-Manager Wael Ghoneim nach der Verkündung der Untersuchungshaft für die Mubaraks. Und Gamal Tag El-Din, Koordinator im Friedensausschuss der Anwaltsvereinigung, sagte: "Das Volk hat 30 Jahre lang unter den Verbrechen der Mubaraks gelitten. Jetzt ist Zeit für Gerechtigkeit." Aber ist Ägyptens Justiz dieser Aufgabe überhaupt gewachsen? Und könnte der Militärrat mit 15 Tagen Untersuchungshaft nicht das Ziel haben, den Forderungen nach einer juristischen Aufarbeitung den Wind aus den Segeln zu nehmen und dann alles still enden zu lassen?

"Auf keinen Fall, dafür sind die Beweise gegen Mubarak zu groß", sagt El-Din. Der Jurist ist ein Muslimbruder, früher heimlich, inzwischen ganz offen. So wie es unter den Juristen viele Islamisten gibt, so gibt es sie auch unter vielen Medizinern, Apothekern und Ingenieuren. Und damit sind sie mehrheitlich Mubarak-Gegner.

Nachdem einst Präsident Gamal Abdel Nasser die Unabhängigkeit der Justiz im Namen des sozialistischen Projekts zu schmälern versucht hatte und nach Kritik an der Machtkonzentration in seinen Händen nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 sogar 500 Richter entlassen haben soll, wehrten sich (dann auch unter Mubarak) viele der 9000 Richter gegen die Vereinnahmungsversuche des Staates. Nach den Wahlen 2005 schließlich kritisierten viele Richter, dass die Jusitz manipuliert werde. Die vermeintliche Kontrolle der Wahlen durch Juristen habe lediglich als Vorwand gedient, den Wahlen Legitimität zu verleihen, in Wahrheit habe man nur innerhalb der Wahlbüros kontrollieren können, nicht vor den Türen.

Einige Juristen riefen die Bürger in einem Manifest auf, "die Zustimmung, regiert zu werden, zu verweigern." Von einer "Richterrevolte" war die Rede. Gegen zwei hohe Richter wurden Disziplinarverfahren eröffnet, Solidaritätsdemonstrationen mit ihnen wurden von den Sicherheitskräften niedergeschlagen. Eine unabhängige richterliche Kontrolle der Wahlen war deshalb auch eine der Hauptforderungen der Opposition. Und bei aller Kritik an den jüngsten Verfassungsänderungen wurde dieser Punkt einhellig begrüßt. Aber Untersuchungshaft für Mubarak, das ist noch kein Urteil gegen die Verbrecher von einst. Und die Menschen werden ungeduldig. "In anderen Ländern hat die juristische Aufarbeitung der Diktatur viele Jahre gedauert", sagt der Kunststudent Ahmed Kamal. "Ägypten muss das schneller hinkriegen."

© SZ vom 14.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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