Ägypten:Angriff auf die Halbinsel

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Mindestens 60 ägyptische Sicherheitskräfte sterben auf dem Sinai, zu den Attacken bekennt sich ein Ableger des IS. Dabei versucht das Militär schon seit einiger Zeit, die Lage auf dem Sinai mit Elite-Einheiten zu kontrollieren.

Von Paul-Anton Krüger, München

Bei koordinierten Anschlägen auf Militärposten in Ägypten haben Terroristen am Mittwoch auf der Sinai-Halbinsel laut Berichten von Staatsmedien 60 Soldaten und Polizisten getötet. Andere Medien nannten die Zahl von 35 bis 64 getöteten Sicherheitskräften. Auch sollen einige Zivilisten umgekommen sein und eine noch unbekannte Zahl Angreifer. Per Internet bezichtigte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) der Taten. Die Terroristen belagerten stundenlang eine Polizeistation in Scheich Zuweid und versuchten, die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Ägyptens Armee schickte Kampfflugzeuge und Hubschrauber, um die eingeschlossenen Beamten freizukämpfen.

Es ist wahrscheinlich der größte Angriff des IS bisher in Ägypten und der dritte schwere Anschlag binnen drei Tagen. Am Montag war Generalstaatsanwalt Hischam Barakat nach einem Attentat in Kairo an seinen Verletzungen gestorben. Am Dienstag kamen in der Satellitenstadt "6. Oktober" nahe Kairo zwei Männer ums Leben, als in ihrem Auto eine Bombe explodierte. Sie hatten nach Angaben der Sicherheitskräfte geplant, eine Polizeistation anzugreifen. Auch ein Passant wurde getötet.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat angekündigt, das Strafrecht zu verschärfen, Gerichtsverfahren zu verkürzen und künftig lebenslange Haftstrafen sowie die Todesstrafe konsequent zu vollstrecken. In ägyptischen Medien wurden Rufe laut, auch das Kriegsrecht zu verhängen und die Führer der als Terrororganisation verbotenen Muslimbruderschaft vor Militärgerichten abzuurteilen. Die Regierung beschuldigt die Islamisten, für den Terror und das Attentat auf Barakat verantwortlich zu sein.

Sicherheitskräfte stürmten am Abend eine Wohnung im Großraum Kairo und erschossen dabei neun Menschen. Die "gesuchten Terroristen", manche von ihnen angeblich Muslimbrüder, hätten sich zuvor der Verhaftung mit Waffengewalt widersetzt. Unter den Toten soll auch der frühere Parlamentsabgeordnete Nasser al-Hafi sein. Zu den Attacken auf die Militärposten bekannte sich der IS. Sein ägyptischer Ableger "Provinz Sinai" ging aus der Gruppe Ansar Beit el-Maqdis hervor, die seit Anfang 2011 auf dem Sinai aktiv ist und sich im November 2014 dem IS anschloss. Seitdem das Militär nach Massenprotesten am 3. Juli 2013 den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt hat, verstärken die Terroristen ihre Anschläge - der nahende Jahrestag dürfte Grund der Gewalteskalation sein. Über Verbindungen zwischen IS und der Muslimbruderschaft gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Das ägyptische Militär versucht, den Sinai mit schwer bewaffneten Elite-Einheiten unter Kontrolle zu bringen. Trotz Ausnahmezustands, massiver Militärpräsenz und einer Ausgangssperre schaffen es die Terroristen aber immer wieder, Einrichtungen des Militärs zu attackieren. Am Mittwoch griffen laut ägyptischen Medien wenigstens 70, womöglich aber bis zu 300 Kämpfer des IS zeitgleich fünf Kontrollpunkte in Scheich Zuweid mit Mörsern und anderen schweren Waffen an; Selbstmordattentäter steuerten mit Sprengstoff beladen Autos in Straßensperren. Im Januar hatten die Terroristen bei ähnlichen Attacken in der Provinzhauptstadt al-Arisch 44 Soldaten getötet.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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