Abstieg des Christian Wulff:Behandelt wie ein großer Korrupti

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Es scheint zwischendurch, als habe Christian Wulff den Glauben an sein Land verloren. Doch noch baut er auf die Kraft der Rechtsprechung, hofft auf Freispruch und Rehabilitation. Er hat sich fürs Kämpfen entschieden.

Von Hans Leyendecker

Christian Wulff wurde aus dem Amt gejagt, die Ehre wurde ihm abgesprochen, seine zweite Ehe ist gescheitert; er ist daheim ausgezogen, wohnt allein in einer Dreizimmerwohnung in Hannover-Waldhausen unter dem Dach. Die vielen Ermittler, die ihm nachsetzten, haben ihn behandelt, als wäre er ein großer Korrupti. Vom schattenhaften Verdacht der "strukturellen Korruption" ist in den Akten die Rede, die er - wie Freunde behaupten - nicht gelesen habe, weil er seine "Seele schützen" wolle.

Ein ehemaliges Staatsoberhaupt, so scheint es, hat den Glauben an sein Land verloren. Das ist nicht gut fürs Land, aber vor allem ist es nicht gut für das Ex-Staatsoberhaupt. Der Satz "ehrlich währt am längsten" müsse doch gelten, hat er im März 2012 seinem väterlichen Freund Egon Geerkens geschrieben, "sonst verlieren wir beide den Glauben an den Rechtsstaat". Auch das klingt nicht gut.

Christian Wulff war auch für diese Skizze nicht zu sprechen. Er gibt keine Interviews, ist misstrauisch geworden. Aber dass in Krisen "auch Chancen liegen" können, hat der frühere niedersächsische CDU-Ministerpräsident in Reden immer wieder erklärt. Das sagt man manchmal, wenn man oben ist. Wahrscheinlich hat er nicht gewusst, welche Bedeutung dieser Satz für ihn mal haben könnte.

Akten im Fall Wulff
:21 Nichtigkeiten

"Nichts dran", "keine Anhaltspunkte", "nicht nachvollziehbar". Wie alle Vorwürfe gegen Christian Wulff nach und nach in sich zusammenfielen. Ein Blick in die Akten der Staatsanwaltschaft.

Von Hans Leyendecker

Wulff wird zwar in die Geschichte eingehen als der erste Ex-Bundespräsident, der wegen Verdachts der Bestechlichkeit angeklagt wird, aber er setze darauf, sagen seine Freunde, dass ein "unabhängiges Gericht" ihn freispreche und quasi rehabilitiere. Was seine Anwälte am Dienstagnachmittag erklärten, alles "ohne Wenn und Aber" zu betrachten, das meine jetzt auch Wulff. Als Angeklagter vor Gericht zu stehen als eine Lebens-Chance?

"Menschenjagd unter Einschluss der Familie"

Es ist nicht klug, sich täglich mit Akten zu beschäftigen, die man nicht lesen mag, und natürlich hat es in den vergangenen 14 Monaten auch viele andere Dinge in seinem Leben gegeben. Er ist in Berlin in ein neues Büro gezogen, hat Reden über Integration und andere Themen gehalten und sich auch mal im Stadion von Hannover 96 sehen lassen, wo er früher doch so gerne war. Er soll ein paar Angebote bekommen haben, in Aufsichtsräten zu arbeiten, aber bevor er nicht gewonnen habe, mache er das nicht, sagt ein guter Freund.

Noch ist er der Verlierer. Dass seine Frau Bettina von einem Kriminalbeamten vernommen worden sei, der eine Krawattennadel mit Handschellen getragen habe, sagt ein Freund, finde Wulff "unerhört". Er spreche von einer "Menschenjagd unter Einschluss der Familie". Immer wieder erzählt er, dass im Jahresrückblick ein Kabarettist sein Haus in Großburgwedel einen "kackbraunen Klinkerbau" genannt habe.

Es gibt mindestens zwei Gesichter des Christian Wulff. Manchmal, so berichten Bekannte, wirke er "stabil", "gut gelaunt", dann wieder "verzweifelt", spreche von seiner "Leidensgeschichte". Eine Weile habe er geschwankt, ob er das Angebot der Strafverfolger, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen, nicht doch annehmen solle. Damit endlich Schluss sei, damit er etwas Neues machen könne.

Am Montagabend jedoch, als ihm seine Verteidiger berichteten, wie es bei der Staatsanwaltschaft gelaufen war, habe er sich endgültig fürs Kämpfen entschieden. Es ist schon bitter, dass ein Gerichtssaal der Ort sein soll, wo einer über sein gefühltes Leiden spricht.

© SZ vom 10.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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