Rückendeckung aus dem Kanzleramt: Angela Merkel verteidigt das Treffen von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit regierungskritischen Gruppen in Israel. "Wir sind der Meinung, dass es möglich sein muss, in einem demokratischen Land auch kritische Nichtregierungsorganisationen zu treffen, ohne dass das solche Folgen hat", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Auch bei Reisen der Kanzlerin stünden regelmäßig Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft auf dem Programm.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte ein geplantes Treffen mit Gabriel am Dienstag kurzfristig platzen lassen. Grund war eine Diskussionsrunde des Ministers mit Vertretern von Gruppen wie Breaking the Silence (Das Schweigen brechen), die Israels Siedlungspolitik in den palästinensischen Gebieten kritisieren. Israelischen Medien zufolge hatte Netanjahu den deutschen Minister vor die Wahl gestellt, sich mit Vertretern der Gruppen oder mit ihm zu treffen.
Israel-Besuch des Außenministers:Netanjahu lässt Treffen mit Gabriel platzen
Hintergrund ist eine Zusammenkunft des deutschen Außenministers mit Vertretern zweier regierungskritischer Nichtregierungsorganisationen in Israel.
Die Bundeskanzlerin sehe es als "bedauerlich an", dass das Gespräch mit Netanjahu ausgefallen sei, sagte nun Regierungssprecher Seibert: "All das ändert ja nichts an der überragenden Bedeutung unserer Beziehungen zu Israel."
Thomas de Maizière stärkte wie Merkel (beide CDU) dem Sozialdemokraten Gabriel den Rücken. Im RTL-Nachtjournal sagte der Bundesinnenminister, Gabriel sei bei seiner Linie geblieben. "Das war eine kleine Machtprobe und der Außenminister hat Nerven bewahrt. Und so gehört sich das für einen deutschen Außenminister."
Primor: Eklat hat "wenig mit Deutschland zu tun"
Gabriel sah hinter Netanjahus Entscheidung innenpolitische Motive. Die deutsch-israelischen Beziehungen waren bereits vor dem Eklat angespannt. Dieselbe Vermutung äußerte Avi Primor, der frühere Botschafter Israels in Deutschland.
Netanjahu habe bei seinem Vorgehen die "extreme Rechte" in seiner Regierungskoalition im Blick gehabt, sagte Primor dem Bayerischen Rundfunk. "Insofern wollte er den Eklat haben, weil das für ihn günstig ist in seinem Machtkampf gegen Konkurrenten innerhalb des rechten Lagers in Israel. Das hat wenig mit Deutschland zu tun."
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft unterstellte Gabriel mangelndes Fingerspitzengefühl bei der Auswahl seiner Gesprächspartner. "Ich hätte mir mehr Fingerspitzengefühl des Ministers gewünscht", sagte die Vizepräsidentin der Gesellschaft, Gitta Connemann (CDU), der Rheinischen Post. Es sei Tradition, bei Besuchen im Ausland mit regierungskritischen Organisationen zu sprechen. Im Falle Gabriels habe sie aber "Sorgfalt bei der Auswahl" vermisst. "Breaking the Silence prangert an, legt aber seine Quellen nicht offen", sagte Connemann. "Damit können israelische Behörden die Vorwürfe und Anschuldigungen nicht überprüfen."
Gabriel in Israel:Kollision mit Wladimir Tayyip Netanjahu
Viel zu lange hat die Bundesregierung zugesehen, wie Israels Regierungschef sein Land umkrempelt. Jetzt hat es geknallt - höchste Zeit war es dafür.
Der grüne Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, Volker Beck, erklärte: "Gesprächsverbote gehen gar nicht." Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte Netanjahus Entscheidung.
Zeitungen in Israel kommentierten die Absage des Treffens unterschiedlich. Für Ma'ariv handelte Netanjahu zu "100 Prozent korrekt", Jediot Achronot sprach dagegen von einer "Sünde" des Ministerpräsidenten.