Die millionenfache Software-Nachrüstung von Dieselautos wird nach Einschätzung des Umweltbundesamtes nicht ausreichen, um Fahrverbote in deutschen Städten zu verhindern. Das geht aus Modellrechnungen hervor, die das Amt am Mittwoch in Berlin vorgelegt hat. Demnach wären in 70 von 90 deutschen Städten, in denen zu viel Stickoxide gemessen werden, die Beschlüsse des Autogipfels von Anfang August nahezu wirkungslos: Die Grenzwerte würden auch weiterhin nicht eingehalten. Die Autoindustrie hatte bei dem Gipfel zugesagt, den Ausstoß des gesundheitsgefährdenden Gases durch Justierungen der Bordelektronik zu verringern. Zudem sollten Kaufprämien den Umstieg auf sauberere Autos erleichtern.
Den Berechnungen der Dessauer Behörde zufolge reicht beides nicht, um in vielen der betroffenen Kommunen den Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter einzuhalten. So ließe sich an der Landshuter Allee in München, eine der Messstationen mit den höchsten Überschreitungen, ein Rückgang der Emissionen um maximal acht Mikrogramm erreichen. Damit würden die Werte an der Messstation nur um ein Zehntel sinken: Im vorigen Jahr wurden an der Landshuter Allee im Schnitt 80 Mikrogramm Stickoxide je Kubikmeter gemessen. An einer Messstelle in Mainz würde den Berechnungen zufolge der Wert um zwei auf 51 Mikrogramm sinken. In beiden Fällen würde der Grenzwert immer noch verfehlt.
"Dabei sind wir noch von sehr, sehr optimistischen Annahmen ausgegangen", sagte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes. Bei realistischeren Annahmen sei der Effekt geringer. So müssten fünf Millionen jüngere Autos neue Software erhalten, und drei Viertel der älteren Diesel müssten durch Autos der neuesten Euro-Norm ersetzt werden, "Euro 6d". Die aber kommt gerade erst auf den Markt, 2020 wird sie Standard.
Nur drei Wochen nach dem Dieselgipfel flammt damit die Stickoxid-Debatte wieder neu auf. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verlangte am Mittwoch von der Autoindustrie auch Nachrüstungen bei der "Hardware" der Autos, etwa den nachträglichen Einbau einer Anlage, die mithilfe von Harnstoff die Stickoxid-Emissionen minimiert. "Die Kosten hierfür müssen vollständig von den Fahrzeugherstellern getragen werden", sagte Hendricks. Andernfalls drohten in einigen Städten Fahrverbote, die keiner wolle. Die Autoindustrie lehnt solche Nachrüstungen ab. Sie seien "in der Breite technisch nicht umsetzbar", hieß es beim Branchenverband VDA. Hendricks' Forderungen erschienen "eher dem laufenden Wahlkampf als Sachgründen geschuldet".
Unterdessen warnte Hendricks vor dem Kauf aktueller Euro-6-Modelle. Diese hielten die Grenzwerte meist nur im Labor ein, nicht aber auf der Straße. Nur die neuesten Euro-6d-Fahrzeuge seien ein sinnvoller Ersatz für ältere Dieselautos. "Nur solche Diesel haben langfristig eine sichere Perspektive auch in allen Städten", sagte Hendricks. Zahlen des Umweltbundesamtes zufolge liegen die Stickoxid-Abgase bei Euro-6-Autos um das Sechsfache über den zulässigen Werten.