Abbau der Medizinerdichte:Kassen wollen Arzt-Zulassung befristen

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Die Krankenkassen wollen die Medizinerdichte in Städten bekämpfen und rütteln an einem jahrzehntealtem Ärzte-Privileg: Künftig sollen Ärzte ihre Zulassungen nicht mehr vererben oder verkaufen dürfen - mit Aufgabe der Praxis soll auch die Zulassung enden.

Deutschlands Ärzte sollen nach dem Willen der gesetzlichen Krankenkassen jahrzehntealte Privilegien verlieren, um die hohe Medizinerdichte in den Städten zu verringern und die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen fordert, dass Mediziner ihre Zulassung als Kassenarzt nicht mehr verkaufen oder vererben dürfen. Stattdessen sollen diese Zulassungen bei Aufgabe der Praxis verfallen. Dies geht aus einem Eckpunkte-Papier hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Kassen wollen die Medizinerdichte in den Städten verringern, stattdessen soll es mehr Ärzte auf dem Land geben. (Foto: dpa)

Auf diese Weise wollen die Kassen die Zahl der Ärzte in den Städten schrittweise abbauen. Gleichzeitig soll den Medizinern, die sich in Gebieten mit einer hohen Arztdichte ansiedeln wollen, die Honorare gekürzt werden. Ziel beider Maßnahmen ist, dass sich die Ärzte auch in weniger gut versorgten Regionen niederlassen, beispielsweise in sozialen Brennpunkten oder auf dem Land. In dem Papier wird betont: "Es gibt nicht zu wenige Ärzte, sondern insgesamt zu viele, und sie sind schlecht verteilt." So sei die Zahl der ambulant tätigen Mediziner zwischen den Jahren 1990 und 2009 um 47.000 gewachsen, das bedeutet eine Steigerung um 51 Prozent.

"Alle Anstrengungen der schwarz-gelben Koalition, mehr Landärzte zu gewinnen, verpuffen völlig wirkungslos, wenn das Problem der Überversorgung nicht angegangen wird", sagte der Vize-Chef des Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Ohne die vorgeschlagenen Änderungen werde das von Union und FDP auf den Weg gebrachte Versorgungsgesetz außerdem zu höheren Ausgaben führen. "Die teure Überversorgung wird auf Kosten der Beitragszahler zementiert, und die Versicherten allein müssen die höheren Kosten am Ende über die Zusatzbeiträge bezahlen", warnte Stackelberg.

Nach früheren Angaben des Spitzenverbands entstehen durch eine Überversorgung pro Jahr etwa fünf Milliarden Euro Kosten allein aufgrund der ärztlichen Honorare. Das entspricht 0,5 Beitragssatzpunkten. Derzeit kann jeder niedergelassene Mediziner die Lizenz, mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen, am Ende seines Berufslebens verkaufen oder vererben.

Der Wert einer solchen Zulassung kann je nach Region und Arztgruppe offenbar mehrere zehntausend Euro betragen. Einmal vergebene Vertragsarztsitze lassen sich aufgrund diesen Prozederes praktisch nicht mehr zurückholen.

Ein Sprecher des Krankenkassen-Spitzenverbands schränkte aber ein, dass die vorgeschlagenen Änderungen lediglich für diejenigen Mediziner gelten sollten, die nach einer Gesetzesänderung eine Zulassung neu bekommen haben. "Wer heute bereits eine Zulassung hat, soll von der Neuregelung nicht betroffen sein. Wir wollen niemanden enteignen", wurde klargestellt.

Den Plan, Zulassungen nur noch auf Zeit auszustellen, hatte schon die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Im Jahr 2003 dachte sie sogar offen darüber nach, die Verlängerung der Erlaubnis an den Nachweis von Fortbildungen und Qualitätsstandards zu knüpfen. Durchgesetzt hat sie sich aber nicht: Bis heute gelten die Zulassungen für ambulante Vertragsärzte lebenslang und können nur in einem komplizierten Verfahren aberkannt werden.

© SZ vom 26.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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