Tunesien:Anschlag auf Polizisten

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Einsatzkräfte und Forensiker sichern Spuren am Tatort. (Foto: Fethi Belaid/AFP)

Zwei Bomben detonieren in Tunis. Ziel sind offenbar Polizisten. Das Land war schon oft Schauplatz von Attacken.

Von Dunja Ramadan, München

Innerhalb von zehn Minuten haben sich am Donnerstag im Zentrum der tunesischen Hauptstadt Tunis zwei Attentäter in die Luft gesprengt. Ein Polizeioffizier starb dabei, mindestens neun Menschen wurden verletzt, wie das tunesische Innenministerium mitteilte. Der erste Attentäter zündete die Bombe nahe einer Polizeistreife in Sichtweite zur französischen Botschaft, ein zweiter Attentäter nahe einer Behörde zur Terrorbekämpfung im Stadtteil Al-Gorjani. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie bewaffnete Polizisten durch eine Straße im Zentrum laufen, Zivilisten filmen sie mit ihren Handys und rufen: "Gott, schütze Tunesien!"

Am frühen Donnerstagmorgen waren zudem Schüsse auf Soldaten gefallen, die an einer Funkstation in der Stadt Gafsa, etwa 400 Kilometer südlich von Tunis, stationiert waren. Verletzt wurde dabei niemand. Am Abend reklamierte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) das Doppelattentat in Tunis für sich. In der Vergangenheit war Tunesien immer wieder Ziel islamistischer Terroranschläge. Erst im vergangenen Oktober sprengte sich eine 30-jährige Frau im Zentrum von Tunis in die Luft und verletzte dabei neun Menschen. Auch Touristen wurden in der Vergangenheit Opfer von Terroranschlägen. 2015 starben bei einer Geiselnahme im Nationalmuseum Bardo 22 Menschen. Der IS reklamierte den Anschlag damals für sich. Im Urlaubsort Sousse erschoss ein IS-Attentäter im selben Jahr 38 Menschen. Die tunesische Tourismusbranche hatte sich erst in jüngster Zeit nach diesen schweren Anschlägen wieder einigermaßen erholt. Im vergangenen Jahr kamen wieder mehr europäische Touristen ins Land.

Die Anschläge treffen Tunesien wenige Monate vor einer politischen Neuordnung. Im Herbst wählen die Tunesier ein neues Parlament, im November einen neuen Präsidenten. Die säkulare Partei Nidaa Tounes, die 2014 die Wahl gewann, ist mittlerweile zerstritten und hat sich in zwei Lager abgespalten. Premierminister Youssef Chahed lieferte sich Grabenkämpfe mit Präsident Béji Caïd Essebsi, der nun schwer erkrankt ist, und gründete Anfang des Jahres seine eigene Partei Tahya Tounes.

Tunesien hatte es als einziges Land nach dem sogenannten Arabischen Frühling geschafft, weitreichende demokratische Reformen umzusetzen. Dennoch steckt das Land in einer wirtschaftlichen Krise, die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 15 Prozent und ist damit höher als vor der Revolution. 30 Prozent der Hochschulabsolventen haben keinen Job.

Die salafistisch-dschihadistische Szene ist weiterhin stark. Tausende junge Tunesier haben sich in den vergangenen Jahren dem IS in Syrien und Irak angeschlossen. Hunderte sind nach Schätzungen der Regierung nach der militärischen Niederlage des IS und dem Ende des Kalifats in ihr Heimatland zurückgekehrt. Am Nachmittag wandte sich Premierminister Chahed an die Tunesier und sagte: "Habt keine Angst, wir sind vereint." Er nannte die Anschläge "feige Operationen" und rief seine Landsleute dazu auf, der Polizei zu vertrauen.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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