NRW-Nachtragshaushalt:Minus mal minus ist plus

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Die Verfassungsrichter prüfen den NRW-Nachtragshaushalt: Im Hauptsacheverfahren werden die schwarz-gelben Kläger kaum erfolgreich sein. Denn Hannelore Krafts Regierung hatte triftige Gründe für die Kreditaufnahme.

Heribert Prantl

Der Satz, dass es nichts Richtiges im Falschen gibt, steht im Werk des Philosophen Adorno. Er bedeutet, volkstümlich gesagt, Folgendes: Wenn man in der falschen Stadt, etwa in Düsseldorf, herumläuft, kann man nicht den Weg zum Stachus finden (weil der in München ist). Die Kläger gegen den nordrhein-westfälischen Nachtragshaushalt versuchen, den Adorno-Satz auf die verfassungsrechtliche Prüfung dieses Haushalts anzuwenden: Das Falsche ist sodann die hohe Verschuldung des Landes; und eine Politik, die diese Verschuldung fortführt, könne, ganz gleich wie sie auch begründet wird, nur falsch, also verfassungswidrig sein.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verteidigt im Düsseldorfer Landtag den Nachtragshaushalt 2010 ihrer rot-grünen Landesregierung. (Foto: dpa)

Im Eilverfahren haben die schwarz-gelben Kläger so argumentierend einen Teilerfolg über die rot-grüne Landesregierung errungen; im Hauptsacheverfahren (am Dienstag ist Verhandlung) wird das kaum gelingen. Warum nicht? Weil eine Regierung das Richtige nur in der Realität des von ihr regierten Landes suchen kann. Im Stammhaushalt 2010, den noch die Kläger als damalige schwarz-gelbe Regierung verabschiedet haben, wird die zulässige Grenze für die Kreditaufnahme um knapp 2,9 Milliarden Euro überschritten.

Die schwarz-gelbe Regierung hatte sich damals zur Rechtfertigung auf die Wirtschaftskrise berufen; das ist verfassungsrechtlich zulässig - zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das tat dann auch die rot-grüne Nachfolgeregierung, die im Nachtragshaushalt 2010 weitere 1,6 Milliarden Schulden machte. Kann sie sich dabei auf die Schuldenmacherei der Vorgänger berufen? Ein Fehler der Nachfolger wird nicht dadurch besser, dass ihn auch die (jetzt scheinheilig klagenden) Vorgänger gemacht haben!

Die neue rot-grüne Regierung hat freilich triftige Gründe: Die Kredite, die sie neu aufgenommen hat, dienen nicht der Finanzierung von politischen Tollereien; es handelt sich um finanzielle Rücklagen nicht zu späterem beliebigem Verbrauch, sondern um sich von drohenden Risiken nicht überraschen zu lassen: 1,3 Milliarden Euro fließen allein in eine Sonderrücklage zur Risikoabsicherung für die marode WestLB. Solche Vorsorge ist Pflicht für seriöse Politik; sie ist nicht zukunftsbelastend, sondern zukunftsentlastend. Man darf ja nicht den Crash sehenden Auges auf sich zukommen lassen. Gerade die Schuldenbremse ab 2020 (der Haushalt muss dann ohne Kreditaufnahme funktionieren) gebietet es, drohende Großbelastungen im Voraus zu glätten. Sich wappnen, nennt man das.

Die Alternative zur Kreditaufnahme wäre es gewesen, die Rücklagen nur aus echten Haushaltsüberschüssen zu speisen. Aber: So viel Sparen geht gar nicht. Um auch nur einen Teil der Summe aufzubringen, hätte man ganz schnell brutal sparen müssen: Leute entlassen, Kindergärten, Schwimmbäder, Kulturzentren schließen. Richter, die der Politik das vorschrieben, handelten nach dem Motto: Summum ius, summa iniuria/Unrecht tut, wer nur nach den Buchstaben urteilt. Ein Verfassungsgericht tut das nicht.

© SZ vom 14.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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