Nach dem Massaker von Haula:Auch der Friedensplan ist gestorben

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Syrische Panzer, die ein Wohnviertel beschießen. Killerkommandos, die Kinder mit Äxten erschlagen haben sollen. Dazu UN-Blauhelme, die ohnmächtig zuschauen. Dass Sondervermittler Annan drei Tage nach dem Massaker von Haula zu Gesprächen nach Damaskus gereist ist, verlängert nach Ansicht vieler Syrer nur das Leid. Denn selbst die Bilder der Leichen in weißen Tüchern werden die Weltgemeinschaft kaum zum Handeln zwingen.

Sonja Zekri

Im syrischen Haula starben am Wochenende mehr als 100 Menschen, darunter fast 50 Kinder und mehr als 30 Frauen. Es starb außerdem der Friedensplan von Kofi Annan. Es war kein überraschendes Ende. Seit das Regime in Damaskus Mitte April dem Plan zugestimmt hatte, hatte Präsident Baschar al-Assad nicht einmal den ersten Punkt, eine Waffenruhe, ganz erfüllt. Alle weiteren - Demonstrationsrecht, freie Berichterstattung, eine von Damaskus moderierte Lösung des Konfliktes gar - rückten nie in den Bereich des Möglichen.

Als syrische Panzer nun Haula beschossen, als Killerkommandos offenbar Kinder mit Äxten erschlugen, waren UN-Blauhelme im Land, aber sie blieben ohnmächtige Beobachter. Dass Annan drei Tage nach den Morden von Haula zu Gesprächen nach Damaskus gereist ist, verlängert nach Ansicht vieler Syrer nur das Leid, ja, es wirkt fast komplizenhaft. Die aufständischen Kämpfer haben die Waffenruhe nun offiziell aufgekündigt - ein logisch erscheinender Schritt.

Werden also die Bilder aus Haula, diese Reihen kleiner Leichen in weißen Tüchern, die Weltgemeinschaft zum Handeln zwingen? Wird Haula, wie es aus den Reihen der Aufständischen heißt, der Wendepunkt? Kaum. Es gehört zur Tragik dieses so lange so opferreichen und zunächst friedlichen Freiheitskampfes, dass für Länder wie Amerika, die Türkei oder viele arabische Nachbarn ein offenes Eingreifen mit jedem Monat unattraktiver wird.

Die Aufständischen arbeiten inzwischen mit den Methoden des Regimes

Die größte politische Vertretung der Rebellen, der Syrische Nationalkongress, verliert demnächst seinen Vorsitzenden, den in Frankreich lebenden Akademiker Burhan Ghalioun, weil er es nicht geschafft hat, das Bild einer einheitlichen Opposition zu vermitteln.

Die bewaffneten Aufständischen nähern sich nach einem Jahr fruchtlosen Leidens den Methoden des Regimes auf beunruhigende Weise an: Hinrichtungen mutmaßlicher Regimeloyalisten lassen das Schlimmste befürchten für die Zeit nach Assad. Und dass sich die Kämpfer in Haula nach Angriffen auf Armeeposten offenbar zurückzogen und die Bewohner der Wut des Regimes überließen, wirkt berechnend. Von Verbrechen wie in Haula, verübt von alawitischen Schlägern an einem sunnitischen Dorf, profitieren sunnitische Dschihadis. Konfessioneller Hass, Revanche-Phantasien gegenüber Israel für die Golan-Höhen, vielleicht Kontakte zu al-Qaida - wer will diese Männer zu Waffenbrüdern?

Schon heute fließt Geld aus Amerika und Saudi-Arabien an die Kämpfer, mit denen diese Waffen kaufen - wie soll Annan da eine Entwaffnung beider Seiten erreichen? Ohnehin haben die inbrünstigen Rufe nach einem Einlenken Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat immer etwas Wohlfeiles. In Wahrheit schinden die Veto-Mächte nicht nur Zeit für Damaskus, sondern auch für Washington und Brüssel. Angenommen, sie würden Syrien verurteilen, wäre damit die schwerste aller Fragen aufgeworfen: jene nach dem nächsten Schritt.

© SZ vom 29.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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