Griechische Reparationsforderungen an Deutschland:Zeigt mehr Mitgefühl

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Eine Frau trauert in einem Gedenkzentrum im griechischen Dorf Distomo um ihre Mutter, eines der Opfer des Massakers von Distomo. Im Juni 1944 hatten SS-Angehörige mehr als 200 Bewohner des nordwestlich von Athen gelegenen Ortes ermordet. (Foto: REUTERS)

Im Reparationsstreit mit Griechenland sollte Deutschland nicht wie ein kühler Geschäftsanwalt auftreten. Es geht nicht nur um die Frage, wer Recht hat. Es geht um viel mehr.

Von Stefan Ulrich

Jura-Professoren raten ihren Studenten vor der Lösung eines Falles gerne: Es ist nicht so wichtig, zu welcher Lösung ihr kommt - Hauptsache, sie ist gut begründet. Das ist nicht zynisch gemeint. Manche Rechtsprobleme sind so vielschichtig, dass sich mit vernünftigen Argumenten sowohl die eine als auch die andere Lösung herleiten lässt.

Ein solches komplexes Problem ist die Frage, ob Deutschland heute, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, Griechenland Entschädigung für Kriegsunrecht und eine Zwangsanleihe bezahlen muss. Die griechische Regierung, die 279 Milliarden Euro fordert, wird genügend Juristen finden, die einen solchen Anspruch schlüssig begründen. Die Bundesregierung wiederum kann mit guten bis noch besseren Gründen behaupten, dass sie gar nichts mehr leisten muss. Mag sein, dass der Internationale Gerichtshof am Ende eines langen Streits Deutschland Recht geben würde. Doch wäre das Problem damit gelöst?

Vize-Finanzminister
:Griechen beziffern deutsche Reparationsschuld auf 279 Milliarden Euro

Seit Wochen steht die Forderung der Griechen im Raum, dass Deutschland für die Verbrechen der Nazizeit zahlen soll. Nun werden erstmals konkrete Zahlen genannt.

Viele Deutsche ärgern sich darüber, dass die Griechen ihre Reparationsforderungen gerade jetzt so vehement vorbringen, wo über die griechische Sanierungspolitik gestritten wird. Sie haben den Eindruck, die Regierung Tsipras in Athen benutze eine alte deutsche Schuld, um berechtigte Reformforderungen aus Berlin und Brüssel abzuwehren. Da mag etwas daran sein. Richtig ist aber auch, dass Griechenland schon seit sehr langer Zeit Entschädigung für Weltkriegsunrecht fordert. Deutschland hat diese Ansprüche strikt zurückgewiesen, wie ein kühler Geschäftsanwalt. Die Bundesregierung fürchtete, andernfalls eine Forderungslawine aus vielen Staaten auszulösen, die einst von den Nazis geschunden wurden.

Juristische Kälte empört die Opfer deutscher Verbrechen

Gerade die juristische Kälte aber ist es, die nicht nur Griechen, sondern zum Beispiel auch italienische Angehörige von Opfern deutscher Verbrechen empört. Sie entdecken in den deutschen Stellungnahmen viele Paragrafen, aber wenig Empathie. Hier sollte die Bundesregierung ansetzen, wenn sie verhindern will, dass die Reparationsfragen die Beziehungen mit europäischen Freunden immer weiter belasten. Mitgefühl mit den Opfern aber wirkt politisch glaubwürdiger, wenn es wenigstens mit einem Versuch der Wiedergutmachung verbunden wird. Die Bundesrepublik hat da einigen Opfergruppen gegenüber bislang zu wenig getan.

Athens Reparationsforderungen an Berlin
:Schuld und Schulden

Reparationsforderungen Griechenlands begegnet die Bundesregierung stets mit der Behauptung, das Thema sei abgeschlossen. Doch Differenzen lassen sich nicht einseitig mit dem Recht des Stärkeren "abschließen". Die deutsche Argumentation ist unredlich.

Gastbeitrag von Hagen Fleischer

Gewiss kann Deutschland niemals allen Schaden ausgleichen, den das Deutsche Reich in Europa böswillig angerichtet hat. Das würde die Bundesrepublik in den Ruin treiben, woran niemandem gelegen sein sollte. Es ist daher nur vernünftig, wenn Berlin Reparationsforderungen in schwindelerregenden Milliardenhöhen zurückweist. Parallel dazu sollte die Bundesregierung aber einen Weg finden, in anderer Weise zumindest ein bisschen Wiedergutmachung zu leisten. Als Zeichen des guten Willens, und ohne eine Rechtspflicht anzuerkennen. Stiftung, Spende, Stipendien, gemeinsame Aufbauprojekte - der Möglichkeiten gibt es viele. Es ist nicht so wichtig, in welcher Weise Deutschland in der Weltkriegs-Frage auf die Griechen zugeht. Hauptsache, es tut es überhaupt.

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