Kaum ein Bundeskanzler wurde zu seiner Amtszeit so verehrt wie Willy Brandt. Schon als junger Mann kämpfte der Sozialdemokrat gegen die Nazis. Später sonnte er sich im Glanze Kennedys, erhielt für seine Entspannungspolitik den Friedensnobelpreis - und verglich Heiner Geißler mit Joseph Goebbels. Die wichtigsten Stationen von Willy Brandt in Bildern. Am 18. Dezember 1913 kam Willy Brandt unter dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm als Sohn einer Verkäuferin in Lübeck zur Welt. Seinen Vater lernte er nie kennen. Die Kindheit in bescheidenen Verhältnissen war maßgeblich geprägt von der Erziehung durch den (Stief-)Großvater Ludwig Frahm, überzeugter Sozialdemokrat. Dieser nimmt nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg den Enkel auf.
Mit 16 Jahren trat Herbert Frahm der SPD bei. 1931 wechselte er zur neugegründeten Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP; auch SAPD), einer Linksabspaltung der SPD, und wurde Vorsitzender des Lübecker Jugendverbandes.
Nach Hitlers Machtergreifung wurde auch die SAP verboten. Frahm tauchte ab und ging ins Exil nach Norwegen. Dort baute er bald einen Parteistützpunkt auf und versorgte seine Genossen in Deutschland mit Informationen. "Ich fühle mich Norwegen mit tausend Banden verbunden, aber ich habe niemals Deutschland - das andere Deutschland - aufgegeben", sagte Brandt später über seine Heimat.
Ein norwegischer Reisepass von 1940, noch unter dem ursprünglichen Namen, ist im Willy-Brandt-Haus in Lübeck ausgestellt. Den Decknamen Willy Brandt nahm Frahm aus Sicherheitsgründen an - und behielt ihn. 1949 ließ er seine Namensänderung offiziell bestätigen. Nach der 1938 bekannt gegebenen Ausbürgerung durch die Nazis wurde Brandt als Staatsbürger von Norwegen aufgenommen. 1944 trat er erneut in die SPD ein und kehrte ein Jahr später als Berichterstatter skandinavischer Zeitungen nach Deutschland zurück.
Brandts politische Karriere begann 1949 als Abgeordneter des ersten Deutschen Bundestages. Von 1957 bis 1966 machte er sich als Regierender Bürgermeister von Berlin einen Namen. Während dieser Zeit wurde Brandt zum vierten Mal Vater. Aus seiner ersten Ehe mit der Norwegerin Carlota Thorkildsen stammte Tochter Ninja, die Söhne Lars, Peter und Matthias aus seiner zweiten Ehe. Mit Rut Hansen (Foto), ebenfalls Norwegerin, war Brandt mehr als 30 Jahre verheiratet. Brandt galt als schwieriger Vater und wankelmütiger Ehemann. Von 1980 bis zu seinem Tod lebte Brandt zusammen mit seiner dritten Frau, Brigitte Seebacher.
Als Regierender Bürgermeister vertrat Brandt auf Auslandsreisen die Interessen Westberlins und empfing Politiker aus aller Welt im Schöneberger Rathaus. Ein Höhepunkt war 1963 der Besuch des US-Präsidenten John F. Kennedy (im Bild mit dem greisen CDU-Kanzler Konrad Adenauer). Brandt wurde aufgrund seines Charismas oft mit dem US-Präsidenten verglichen - und guckte sich Wahlkampftricks bei JFK ab.
Auf einem außerordentlichen Parteitag 1964 wurde Willy Brandt zum Nachfolger des verstorbenen SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer gewählt. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses rührte ihn zu Tränen. 24 Jahre lang, bis 1987, stand er an der Spitze der SPD. Die Wahl markierte seinen bundespolitischen Aufstieg.
1961 und 1965 kandidierte Brandt vergeblich für das Amt des Bundeskanzlers. Immerhin: Bei den Bundestagswahlen wuchs der Zuspruch für die SPD. 1966 übernahm Brandt das Amt des Bundesaußenministers in der ersten großen Koalition. Drei Jahre später gab er 1969 in Bonn seine Stimme ab, im Hintergrund seine Frau Rut. Am Ende reichte es für eine Mehrheit von SPD und FDP.
Der Bundestag wählte Brandt im Oktober 1969 zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler. "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen. (...) Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert", hieß es in seiner ersten Regierungserklärung. In Erinnerung blieb daraus Brandts berühmter Leitsatz: "Wir wollen mehr Demokratie wagen."
Als große Geste der Wiedergutmachung und Scham ging das Bild des Kniefalls von Warschau um die Welt und in das kollektive Gedächtnis ein. Bundeskanzler Willy Brandt kniete 1970 bei seinem Staatsbesuch in Polen vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto, das den Opfern des Warschauer Aufstandes gegen die deutschen Besatzer 1943 gewidmet ist. "Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt", sagte Brandt später. Er war der einzige Kanzler, der aktiv gegen das Hitler-Regime gekämpft hatte.
Die Vorsitzende des Nobelpreis-Komitees, Aase Lionæs, überreichte 1971 in Oslo Bundeskanzler Willy Brandt den Friedensnobelpreis für seine Friedens- und Entspannungspolitik. "Wandel durch Annäherung" nannte Brandt seine neue Ostpolitik, die in den sogenannten Ostverträgen gipfelte. Der Moskauer und der Warschauer Vertrag zur Entspannung der beiderseitigen Beziehungen von 1970 galten als wichtige Schritte neben der Anerkennung der Oder-Neiße Linie als polnische Westgrenze. 1971 folgte das Transitabkommen und 1972 der Grundlagenvertrag mit der DDR, 1973 der Prager Vertrag.
Brandts Ostpolitik stürzte seine sozial-liberale Koalition im April 1972, ein halbes Jahr nach Brandts Auszeichnung mit dem Nobelpreis, in eine Regierungskrise. Die Opposition sprach vom "Ausverkauf deutscher Interessen", Abgeordnete aus dem Regierungslager wechselten zur Opposition. Rainer Barzel, Unions-Fraktionschef im Bundestag, scheiterte jedoch mit dem ersten Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik. Wie später herauskam, hatte die DDR-Staatssicherheit Unionsabgeordnete bestochen. Doch der Rückhalt für Brandt unter den Deutschen war groß. Demonstranten setzten sich etwa auf der Hamburger Moorweide bei einer Solidaritätskundgebung für die Regierung Brandt/Scheel ein.
Nach gewonnenem Misstrauensvotum stellte Brandt als erster Kanzler die Vertrauensfrage - und verlor, wie geplant. So war der Weg für Neuwahlen frei, aus der die SPD erstmals in der bundesdeutschen Geschichte als stärkste politische Kraft hervorging: 45,8 Prozent der Zweitstimmen. Am 14. Dezember 1972 legte er im Bonner Bundestag den Amtseid bei Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD) ab.
Dieses Bild zeigt Bundesfinanzminister Helmut Schmidt und Willy Brandt mit dessen Referenten Günter Guillaume bei einer SPD-Vorstandssitzung 1973 in Berlin. Noch ahnt Brandt nicht, dass der vertraute Kanzlerberater ein Spitzel der Stasi ist. Am 24. April 1974 wurde Guillaume von Beamten der Sicherungsgruppe des BKA wegen Spionageverdachts für die DDR verhaftet.
Brandt trat im Zuge der Agentenaffäre um den DDR-Spion Guillaume zurück. Ein Kanzler dürfe nicht "erpressbar" sein. "Ich übernehme die politische Verantwortung für Fahrlässigkeiten im Zusammenhang mit der Agentenaffäre Guillaume und erkläre meinen Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers." Brandt, von innerparteilichen Intrigen und Depressionen mürbe, zog damit die Konsequenzen aus der Affäre. (Am Glaskasten des Süddeutschen Verlags im Färbergraben in München berichtet die SZ darüber.)
Helmut Schmidt wurde Bundeskanzler und setzte die sozial-liberale Koalition bis 1982 fort. Brandt fungierte weiter als SPD-Vorsitzender neben (und manchmal auch gegen) Schmidt. In den Elefantenrunden nach Wahlen vertrat er die SPD, vor laufender Kamera nannte er den damaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler den "schlimmsten Hetzer seit Goebbels", dem Propagandaminister des NS-Regimes. "Unanständig und unmoralisch" hatte Geißler die SPD vorab genannt und als "fünfte Kolonne" Moskaus bezeichnet. 1987 rebellierte die SPD gegen Brandts Versuch, eine parteilose Parteisprecherin zu berufen. Er trat zurück - und rückte noch einmal in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit, als die DDR kollabierte. "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", kommentierte Brandt den Fall der Mauer 1989. Im selben Jahr veröffentlichte er seine "Erinnerungen".
Im November 1990 reiste Altkanzler Brandt am Vorabend des zweiten Golfkrieges zu Gesprächen mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein nach Bagdad. Er erwirkte bei dem Diktator die Freilassung von im Irak festgehaltenen Geiseln. 126 Deutsche und 51 ausländische Staatsangehörige landeten zusammen mit Brandt in Frankfurt, hier im Bild mit dem irakischen Botschafter, Omar Ghani.
Nach seinem Rücktritt als Bundesvorsitzender 1987 wurde Brandt zum SPD-Ehrenvorsitzenden ernannt. Vor den ersten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR warb er noch einmal für seine Partei, wie auf diesem Foto vom März 1990 in Weimar. Ein Dreivierteljahr später verlor die SPD die erste gesamtdeutsche Wahl klar. Als Alterspräsident eröffnete er 1990 im Berliner Reichstagsgebäude die Sitzung des ersten gesamtdeutschen Bundestages. Wenig später wurde bei Brandt Darmkrebs diagnostiziert.
Am 8. Oktober 1992 starb Willy Brandt mit 78 Jahren in seinem Haus in Unkel am Rhein. Mehr als tausend Trauergäste aus aller Welt ehrten ihn mit einem Staatsakt im Berliner Reichstagsgebäude. Brandts Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin.