Verkehrssicherheit:"Blas bitte stärker"

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Das Auto rührt sich nur, wenn der Fahrer einen Alkoholtest besteht. Technisch ist das längst möglich. Nun will Verkehrsminister Alexander Dobrindt die Trinker-Wegfahrsperren auch in Deutschland einsetzen lassen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es gibt Volvo-Modelle, mit denen muss man über das Losfahren erst verhandeln. "Blas bitte langsamer", sagt dann das Display, oder: "Blas bitte stärker." Und wehe, das Auto entdeckt dann eine Spur Alkohol im Atem: Dann tut sich gar nichts. Ohne bestandenen Alkoholtest zündet der Volvo erst gar nicht.

Technisch ist das schon lange möglich, der "Alcolock" oder "Alcoguard" funktioniert wie der nächtliche Polizeitest am Straßenrand. Das Gerät ist aber obendrein mit der Bordelektronik verbunden - so, wie der Sitz mittlerweile meldet, ob man angeschnallt ist und das Lenkrad plötzlich zu vibrieren beginnt, weil angeblich Zeit für eine Pause ist. Leuchtet also das rote Licht im Volvo, dann nimmt man besser das Taxi. Und das nicht nur zum eigenen Schutz.

Geht es nach Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dann könnte es derlei Gerät künftig auch vermehrt in hiesigen Autos geben. Das Ministerium hat seinen neuen "Unfallverhütungsbericht" fertig, als Erstes hatte die Passauer Neue Presse darüber berichtet. Eine Möglichkeit der Unfallverhütung: die sensiblen Wegfahrsperren. "Es gibt mit diesen Alkohol-Wegfahrsperren gute Erfahrungen in Schweden und den Niederlanden", sagt Dobrindt. "Wir brauchen Wegfahrsperren bei schweren Alkoholvergehen oder bei Wiederholungstätern als starkes Signal gegen Alkoholmissbrauch am Steuer." Diesen Mittwoch soll Dobrindts Bericht ins Kabinett.

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Gründe für ein starkes Signal gibt es, nachzulesen sind sie in der Unfallstatistik. Sie weist für 2013 - jüngere Zahlen gibt es noch nicht - insgesamt gut 14 000 Unfälle aus, bei denen Menschen zu Schaden kamen und mindestens einer der Beteiligten unter Alkohol stand. Das ist etwa jeder zwanzigste Unfall. Nur sind die Unfälle, in denen Alkohol im Spiel ist, überdurchschnittlich schlimm. Jeder elfte Verkehrstote starb in einem solchen Unfall, 2013 waren das in Deutschland 336 Menschen. Deshalb, sagt Dobrindt, werde nun "ein Entwurf für die Einführung" vorbereitet.

Das Auto als strenger Erzieher seines Fahrers. Illustration: nelcartoons.de (Foto: NEL)

Das freilich kann dauern, denn so weit ist der Verkehrsminister schon länger. Schon im Frühjahr 2014 hatte er mit den Alcolocks geliebäugelt, ein knappes Jahr später kündigte er einen Modellversuch an. Dabei blieb es. Experten beim Bundesamt für Straßenwesen befassen sich schon seit einem knappen Jahrzehnt damit, schließlich gibt es mittlerweile auch einige Erfahrungen damit - aus dem Ausland.

Und die sind durchaus ermutigend. "Wir haben durchaus eine Menge guter Erfahrungen", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. "Aber die sind auch nur dann gut, wenn eine psychologische Behandlung dazugehört."

In Deutschland gibt es für die Psyche bisher die "Medizinisch-psychologische Untersuchung", kurz MPU oder, noch einfacher: Idiotentest. Wer etwa wiederholt mit Alkohol im Blut Auto fuhr oder mit mehr als 1,6 Promille unterwegs war, der muss seine Fahreignung unter Beweis stellen, auch im Gespräch mit Psychologen. "Das ergibt auch Sinn", sagt Brockmann. "Wir reden hier schließlich nicht über den trinkenden Fahrer, sondern über fahrende Trinker." Ohne eine solche Beratung aber sei der Einbau der Geräte zwecklos.

Bliebe noch eine dritte Variante: Der Einbau wird vorgeschrieben, der Fahrer trinkt aber trotzdem - und lässt dann seinen Beifahrer pusten. "Natürlich ließe sich das Gerät so auch umgehen", sagt Don DeVol, der beim TÜV Thüringen die Verkehrssicherheit leitet. "Aber dann fragt sich der gesunde Menschenverstand, warum der Beifahrer nicht gleich selbst fährt. Zu seiner eigenen Sicherheit." Mit fremden Autos kann ein Alk-Delinquent ohnehin blau fahren.

Auch De Vol pocht deshalb auf eine psychologische Begleitung - und empfiehlt sogar ein Zusammenspiel zwischen Gerät und Beratung. So lässt sich aus einigen Alcolocks auch auslesen, wie oft der Betroffene am roten Lämpchen scheiterte, also alkoholisiert fahren wollte. Wie es dazu kam, ließe sich dann auch gezielt besprechen. Auch der ADAC fordert derlei Beratung.

Wer einen Alcolock einbaut, könnte seinen Führerschein schneller zurückbekommen

Wie Dobrindt sich das konkret vorstellt, das bleibt offen. Denkbar wäre etwa, dass Autofahrer sich das Gerät freiwillig einbauen, dafür aber den Führerschein früher zurückerhalten. Nach einer bestimmten Frist dürften sie den Alcolock dann wieder ausbauen. Rechtlich ist es ohnehin nicht ganz einfach, Autofahrern den Einbau einer Wegfahrsperre vorzuschreiben, die auch noch bis zu 2000 Euro kostet. Auch ist unklar, inwieweit es parallel weiterhin eine MPU geben soll. "Ich habe die Befürchtung, dass allein das technische Gerät vorgeschrieben wird", sagt der TÜV-Experte De Vol. "Aber das wird den Straßenverkehr nicht sicherer machen."

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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