Venedig:Unterschätzte Lagune

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Die beiden Vermissten sollen in einem Kanal bei Caorle unterwegs gesesen sein. Auf diesem Bild sieht man einen Pavillon während der Biennale in Venedig. (Foto: dpa)

Ein deutsches Ehepaar ist in der Lagune von Venedig in Seenot geraten. Trotz Sturms waren die beiden zu ihrem Haus aufgebrochen. Die Frau wurde inzwischen tot aufgefunden.

Von Thomas Steinfeld, Venedig

In der Lagune von Caorle, etwa fünfzig Kilometer östlich von Venedig, ist am Wochenende ein Ehepaar aus Bad Mergentheim in Seenot geraten; die Frau wurde inzwischen tot aufgefunden, der Mann gilt weiterhin als vermisst. Das Paar besaß seit mehreren Jahren auf einer Insel in der Lagune eine ehemalige Zollstation, die es als Ferienhaus nutzte. Die Insel ist nur mit dem Boot zugänglich. Das Paar war mit den geografischen und klimatischen Verhältnissen in der Gegend vertraut, hatte engen Umgang mit Einheimischen und war also vermutlich auch das Fahren mit Booten gewöhnt. Die beiden etwa 50-jährigen Deutschen hatten am Freitagabend mit Freunden in einem Restaurant am Canale Nicesolo gegessen und wollten gegen zwei Uhr morgens in ihr Haus auf der anderen Seite des Kanals zurückkehren. Ein Unwetter mit Sturmböen und heftigem Regen hatte eine frühere Rückkehr unmöglich gemacht, obwohl Haus und Restaurant nur wenige hundert Meter auseinander liegen. Als die beiden letztlich doch aufbrachen, regnete es immer noch heftig. In der Mitte des Kanals streikte der Motor, der auch für die begrenzten lokalen Verhältnisse mit 15 PS eine erstaunlich geringe Leistung hatte; die Barke wurde von der Strömung auf das offene Meer hinausgezogen.

Nach langem Zögern waren die beiden nachts um zwei doch noch aufgebrochen

Zwar gelang es dem Paar, telefonisch einen befreundeten Fischer zu alarmieren. Bei einem zweiten, womöglich unabsichtlichen Anruf hörte er noch, wie die Frau ihrem Mann zurief, Wasser zu schöpfen. Alle Versuche, die beiden zu finden, blieben jedoch erfolglos, der Nacht und des schlechten Wetters wegen. Erst am Sonntagmittag wurde das gelbe Boot, mit dem Rumpf oben treibend, von einem Hubschrauber vor der Küste von Jesolo gesichtet, geriet aber wieder aus dem Blick. Als Taucher das schließlich 30 Kilometer vom Canale Nicesolo entfernt wiedergefundene Boot bergen wollten, fanden sie die Leiche der Frau mit dem Schiffskörper vertäut. Ihr Mann bleibt verschwunden; dass er überlebt hat, gilt als unwahrscheinlich.

Das Unglück weckt in den regionalen Medien große Aufmerksamkeit, weil alles, was Wasser und Boote betrifft, den Lebensnerv der Bewohner berührt und die Gefahren der Lagune immer wieder unterschätzt werden. Außerdem gilt der Teil des Canale Nicesolo, in dem das deutsche Ehepaar lebte, als Sehenswürdigkeit, weil es hier noch alte, aus Schilf errichtete Fischerhäuser gibt und die Natur nur wenig angetastet ist.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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