USA nach Ferguson:Nation im Körperkamera-Fieber

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Auch in Deutschland (Archivbild aus Hessen) wird über den flächendeckenden Einsatz von Körperkameras diskutiert. (Foto: dpa)
  • In den USA gibt es einen Boom von Körperkameras: Immer mehr Polizeidirektionen schaffen Bodycams für ihre Officer an, um sich gegen Vorwürfe nach Einsätzen zu wehren.
  • Doch viele Fragen sind ungeklärt: Was passiert, wenn ein Polizist die Kamera im entscheidenden Moment abschaltet? Und wer soll Zugang zu den Aufnahmen haben?
  • Interessant sind Körperkameras auch für andere Berufsgruppen wie Handwerker oder Gerichtsvollzieher.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Die letzten Minuten im Leben von James B. gibt es nun als Youtube-Video: Es ist das Körperkamera-Video, das ein Polizist aufgenommen hat. B. diskutiert mit dem Beamten, wird dabei immer wütender und holt schließlich mit der Schneeschaufel aus, die er in den Händen hält. Das Bild beginnt zu wackeln, der Polizist ist offenbar von einem Schlag getroffen worden. Dann bricht das Video ab.

James B. aus Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah ist tot, erschossen von jenem Polizeibeamten, der ihn filmte. Die Aufnahmen könnten über die genauen Umstände Klarheit bringen. Doch die Schüsse sind nicht zu sehen. Die Bodycam wurde durch den Schlag beschädigt, sagt die örtliche Polizei. Hobby-Ermittler im Netz wiederum behaupten, der Beamte habe sie selbst schnell abgeschaltet.

Körperkameras galten nach den tödlichen Schüssen auf den schwarzen Teenager Michael Brown als eine der wichtigsten Maßnahmen, um das Vertrauen in die Polizei wiederherzustellen. Doch eine einfache Lösung bieten auch die Videobilder nicht, das zeigt nicht nur der Vorfall aus Utah, sondern auch die Aufnahme von der tödlichen Verhaftung Eric Garners in New York, die ohne strafrechtliche Konsequenzen blieb.

Elektroschocker aktivieren Kameras

Dennoch kommen Hersteller der Kameras mit der Produktion kaum hinterher: Im Wochentakt verkünden die Polizeidirektionen von Miami bis Seattle Pilotprogramme - was auch daran liegt, dass die Obama-Regierung kräftige Zuschüsse angekündigt hat. Im Dezember gab die Polizei von Los Angeles bekannt, etwa 7000 Streifenpolizisten mit Körperkameras auszustatten.

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Im Januar bestellte die Stadt 3000 Elektroschocker, die im Moment des Einsatzes via Bluetooth automatisch die Körperkamera aktivieren. "Unser Ziel ist es, diese wichtigen Instrumente in den kommenden Jahren allen Beamten auf der Straße zugänglich zu machen", erklärte Polizeichef Charlie Beck zur Hightech-Offensive. Immerhin könnten sich die Beamten dadurch nach Einsätzen gegen falsche Vorwürfe wehren.

"Bodycams sind ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Jay Stanley von der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), "allerdings sollen sie dabei helfen, die bestehenden Probleme bei der Polizeiarbeit zu lösen - sie sollen nicht zu einem neuen Werkzeug der Massenüberwachung werden." Das Shopping-Fieber täusche darüber hinweg, dass viele Fragen ungeklärt seien.

Polizeibezirke können frei entscheiden

Zwar hat das Justizministerium eine Richtlinie veröffentlicht, die ist aber nicht bindend. Die USA haben fast 18 000 Polizeibezirke, "die Richtlinien werden sehr unterschiedlich ausfallen", glaubt Stanley. Bislang beschäftigten sich erst wenige Bundesstaaten damit, die Regeln gesetzlich zu vereinheitlichen.

Zu klären gäbe es genug: Was sind die Konsequenzen, wenn ein Polizist vergisst, die Kamera einzuschalten? Im Dezember entließ die Polizei von Albuquerque einen Beamten, der eine 19-Jährige erschossen hatte - weil er seine Kamera vor dem Einsatz nicht aktivierte, gab es kein Video des Vorfalls (der ohne juristische Konsequenzen blieb). "Wenn Sie jeden feuern, der seine Kamera auslässt, haben Sie bald keine Polizisten mehr", spottete sein Anwalt.

Die Manipulation der Aufnahmen lässt sich zwar technisch und durch strenge Zugriffsbeschränkungen durchaus verhindern, doch sollten Polizisten sich die Videos vor ihrer Aussage ansehen dürfen? Polizeidirektionen könnten ihren Beamten das erlauben und ihnen damit die Möglichkeit eröffnen, ihre Aussagen an das Filmmaterial anzupasssen.

Zudem ist von Staat zu Staat unterschiedlich geregelt, was aufgenommen wird: In manchen Polizeibezirken ist die Aktivierung an einen Blaulichteinsatz gekoppelt, um zum Beispiel bei Routineeinsätzen keine Bürger zu filmen. Wenn allerdings ein harmloses Ereignis plötzlich eskaliert, was in den USA aufgrund der Verbreitung von Schusswaffen immer möglich ist, fehlen wiederum Aufnahmen.

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"Ein weiterer Punkt sind die unterschiedlichen Gesetze, die den öffentlichen Zugang zu solchen Aufnahmen regeln", sagt ACLU-Mann Stanley. Im Bundesstaat Washington zum Beispiel hat die Öffentlichkeit das Recht, sämtliche Polizei-Aufnahmen auf Antrag einzusehen. Die Polizei von Seattle veranstaltete deshalb jüngst einen Hackathon, um bestimmte Gesichter automatisch zu verpixeln.

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Das ist allerdings nicht trivial: Der Schutz der Privatsphäre gilt für Minderjährige und auf Wunsch für Zeugen, aber auch für Menschen, die sich auf Privatgrund befinden. Wohl dem, der einen entsprechenden Algorithmus programmieren kann.

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Dennoch hat der Siegeszug der Bodycams längst begonnen - womöglich auch über die Polizeiarbeit hinaus. Die Verwaltung von Miami Beach kündigte vor einigen Monaten an, die für die Stromzählung oder Baukontrolle zuständigen Mitarbeiter mit Körperkameras auszustatten. In den entsprechenden Abteilungen hatte es in den vergangenen Jahren Korruptionsfälle gegeben.

Angst vor unberechtigten Ansprüchen

Auch einzelne Gerichtsvollzieher und Handwerker tragen die Geräte bereits, um sich vor späteren Klagen zu schützen. Das Wall Street Journal berichtete zuletzt über einen neuen Standard für zahlreiche Berufsgruppen, vom Klempner bis zum Immobilienmakler, die sich damit vor unberechtigten Ansprüchen schützen wollten.

Und auch in Ferguson haben inzwischen die Körperkameras Einzug gehalten: Die Aktivisten von "We Copwatch" verteilten sie an schwarze Bewohner der Stadt, damit sie Übergriffe durch die Polizei von nun an besser dokumentieren.

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