Urteil im Hildesheimer Ehrenmord-Prozess:"Es war eine öffentliche Exekution"

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Um die Familienehre wiederherzustellen soll ein 38-Jähriger den Geliebten seiner Ehefrau kaltblütig erschossen haben. Das Hildesheimer Landgericht hat ihn dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein mutmaßlicher Komplize ist noch auf der Flucht.

Das Opfer wartete nachts im Auto an einer roten Ampel, als plötzlich zwei Männer an den Wagen herantraten und durch die Seitenscheibe das Feuer eröffneten. Kaltblütig sollen ein 38 Jahre alter Mann und dessen Komplize einen 35-Jährigen an einer Kreuzung im niedersächsischen Sarstedt erschossen haben. Das Opfer wurde am Neujahrstag in seinem Auto von neun Pistolenschüssen getroffen und getötet.

Der Angeklagte im Hildesheimer Landgericht vor der Verkündung des Urteils. Nach Überzeugung des Gerichts erschoss er den Geliebten seiner Frau, um die Ehre seiner Familie zu verteidigen. Der Angeklagte schwieg während des Prozesses zu den Vorwürfen. (Foto: dpa)

Das Hildesheimer Landgericht hat den 38-jährigen Schützen jetzt wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. "Es war eine öffentliche Exekution, eine absolut brutale, widerliche Tat", sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung.

Das Motiv war offenbar Rache: Der Getötete soll eine Affäre mit der Frau des Verurteilten gehabt haben. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 38-Jährige seinen Kontrahenten umbrachte, um die Familienehre wiederherzustellen. "Der Angeklagte hat nicht aus Eifersucht gehandelt, sondern um die Familienehre wiederherzustellen", sagte der Richter.

Das Opfer, ein 35-jährige Syrer, war trotz Drohungen häufiger mit der Frau des verurteilten Täters durchgebrannt, doch die 32-Jährige hatte immer wieder Sehnsucht nach ihren sechs Kindern bekommen und war zurückgekehrt. Im Januar vergangenen Jahres heirateten die beiden dennoch nach islamischem Recht, trennten sich aber drei Monate später wieder.

Außer sich vor Wut

Zu Weihnachten schickte das spätere Opfer der Familie seiner Geliebten schließlich die Heiratsurkunde. "Dieser folgenschwere Entschluss bedeutete seinen Tod", erklärte der Vorsitzende Richter. Der Familienclan habe sich provoziert gefühlt, alle seien außer sich vor Wut gewesen und hätten beschlossen, den 35-Jährigen zu töten.

Der aus dem Libanon stammende Angeklagte hatte bis zuletzt zu den Mordvorwürfen geschwiegen. Die Kammer stützt sich bei ihrem Urteil auf Indizien wie Schmauchspuren, Handydaten und Zeugenaussagen. Der mutmaßliche Komplize konnte bislang nicht festgenomment werden. Es soll sich um den Bruder der Ehefrau handeln.

Im Gerichtssaal kam es kurz vor Ende der Urteilsverkündung zu heftigen Tumulten. Angehörige brüllten die Richter an, der Saal wurde geräumt, Polizeihunde kamen zum Einsatz. Auf dem Flur rissen aufgebrachte Zuschauer Tische und Stühle um. Die Bereitschaftspolizei rückte mit mehreren Mannschaftswagen an, um die Gruppe aufzulösen.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/vks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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