Viele Tote in Pjöngjang:Nordkoreas Regime entschuldigt sich für Hauseinsturz

Lesezeit: 1 min

Angehörige von Opfern trauern in Pjöngjang. (Foto: Jon Chol Jin/AP)

Ein Unglück so groß, dass die Diktatur ihre Verschwiegenheit aufgibt: Die nordkoreanische Regierung entschuldigt sich für den Einsturz eines 23-stöckigen Gebäudes in Pjöngjang, bei dem mehrere hundert Menschen gestorben sein könnten. Die Schuld gibt sie aber einem einzelnen Minister.

Beim Einsturz eines Wohnhauses in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang sind möglicherweise Hunderte von Menschen ums Leben gekommen. In einem für das Land ungewöhnlichen Schritt räumte die kommunistische Führung am Wochenende öffentlich ein Fehlverhalten der Verantwortlichen ein und entschuldigte sich bei den Angehörigen.

Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA sprach von einem "unvorstellbaren Unglück", das bereits am Dienstag geschehen sei. Dafür verantwortlich sei der für die Sicherheit zuständige Minister Choe Pu Il, der das Bauprojekt nicht angemessen überwacht habe. "Der Bau eines Wohnhauses war nicht ordnungsgemäß, und die Beamten übten Aufsicht und Kontrolle in unverantwortlicher Weise aus", hieß es in der KCNA-Erklärung.

Machthaber Kim Jong Un sei die ganze Nacht wach geblieben, als er von dem Unfall erfahren habe, hieß es weiter unter Berufung auf einen Vertreter des kommunistischen Regimes. Derartige Eingeständnisse der Fehlbarkeit von Behörden sind in dem isolierten Land äußerst selten.

Südkorea vermutet Hunderte Tote

Den Angaben zufolge wurden die Bergungsarbeiten am Samstag eingestellt. Toten- und Verletztenzahlen wurden nicht genannt. Es war lediglich davon die Rede, dass das Unglück "Opfer gefordert" habe. Aus dem Vereinigungsministerium in Südkorea hieß es: "Vermutlich gibt es Hunderte von Toten." Das 23-geschossige Gebäude dürfte für 92 Familien angelegt gewesen sein. In Nordkorea sei es üblich, dass Neubauten bereits vor der Fertigstellung bezogen würden.

Möglicherweise will sich die nordkoreanische Führung mit dem ungewohnt offenen Eingeständnis von Fehlern gegenüber Südkorea profilieren. Die Regierung des Nachbarlandes musste sich für die chaotische Informationspolitik und das mangelhafte Krisenmanagement im Zuge des schweren Fährunglücks im vergangenen Monat verantworten. Fast zwei Wochen nach dem Unglück sah Premierminister Chung Hong Won sich zum Rücktritt gezwungen. Nordkorea hatte auch Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye nach dem Unglück scharf kritisiert. Nun könnte die Diktatur in Pjöngjang verdeutlichen wollen, dass sie sich mit dem Einsturz verantwortungsvoll befasst.

In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nahmen am Wochenende Zehntausende Menschen an einer Mahnwache zum Gedenken an die mehr als 300 Menschen, die beim Kentern der Sewol gestorben waren, teil.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: