Überfall in Äthiopien:Zwei Deutsche getötet, zwei nach Eritrea entführt

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In der abgelegenen Afar-Region im Nordosten Äthiopiens ist eine Reisegruppe angegriffen worden. Zwei Deutsche, zwei Ungarn und ein Österreicher wurden getötet. Zwei weitere Deutsche wurden nach Informationen von Süddeutsche.de nach Eritrea verschleppt. Ein Unternehmen aus Dresden hatte die Reise organisiert, die nun so blutig endete.

Lars Langenau

Äthiopien ist ein reiches Land. Reich an Kultur, atemberaubend schöner Natur und freundlichen Menschen. Und Äthiopien ist ein Reiseland. Nicht für den Massentourismus, aber für Individualisten. Nach Hungersnöten, Bürgerkrieg und der Abspaltung Eritreas konnte Äthiopien in eine bessere Zukunft blicken. Auch und gerade weil dieses Land aufgrund seiner langen christlichen Tradition für den afrikanischen Kontinent vollkommen ungewöhnlich ist.

Das Archivbild aus dem Jahr 2011 zeigt einen Kamelführer in der Danakil-Wüste im Norden Äthiopiens. Die Region ist einer der tiefst gelegenen Orte der Erde und wird vom Nomadenvolk der Afar bewohnt. Sie ist extrem unwirtlich, heiß und arm, aber auch von großer landschaftlicher Schönheit. (Foto: dpa)

Doch am Montag ist es zu einem schweren Zwischenfall gekommen: Europäische Touristen wurden in der abgelegenen Afar-Region im Nordosten des Landes nahe der Grenze zu Eritrea bei der Besichtigung des Vulkans Erta Ale überfallen und getötet. Unter den Opfern sind auch zwei deutsche Staatsangehörige, wie Außenminister Guido Westerwelle am Mittwochnachmittag bestätigte. Daneben kamen zwei Ungarn und ein Österreicher ums Leben.

Zwei Ungarn erlitten bei dem Angriff schwere Verletzungen, eine Person sei entkommen, sagte der Generalkonsul Äthiopiens, Mulugeta Zewdie Michael, auf Anfrage von Süddeutsche.de. Seine Angaben wurden durch den Sprecher der äthiopischen Regierung, Bereket Simon, und die ungarische Regierung bestätigt.

Den Informationen des Generalkonsuls zufolge wurden zwei weitere Deutsche nach Eritrea entführt. Das Auswärtige Amt in Berlin nannte keine genaue Zahl, bestätigte aber, dass das Schicksal weiterer Personen aus der Bundesrepublik ungeklärt sei. Die Regierung in Addis Abeba berichtete, dass darüber hinaus auch ein äthiopischer Polizist und ein äthiopischer Fahrer verschleppt wurden.

Generalkonsul Michael beschuldigt von Eritrea finanzierte Rebellen als Urheber des Überfalls und der Verschleppung. Deren Ziel sei es, "dass Image Äthiopiens zu verschlechtern und den Tourismus im Land zu stoppen", sagte er. Den Verdacht, dass Erzfeind und Nachbar Eritrea für den tödlichen Überfall mitverantwortlich ist, äußerte auch der äthiopische Regierungssprecher Simon. "Hinter dem Überfall steckt eine subversive Gruppe, die von der eritreischen Regierung trainiert und mit Waffen ausgerüstet wurde."

Äthiopien werde "angemessen reagieren", fügte Michael hinzu. Ob dieser Zwischenfall auch zu einem erneuten Krieg mit dem Nachbarland führen könne, beantwortete der Generalkonsul ausweichend. Dies sei nur eine Option. Zunächst habe man die Regierung Eritreas zum Handeln aufgefordert, den Vorfall aufzuklären und sich für die Freilassung der verschleppten Personen einzusetzen.

In der kommenden Woche beginnt in Addis Abeba der Gipfel der Afrikanischen Union. "Offensichtlich will die eritreische Regierung vor dem Treffen für Unruhe sorgen. Auch beim letzten Gipfel in Addis Abeba planten sie einen Anschlag, den wir vereiteln konnten", sagte Regierungssprecher Simon weiter. "Die isolierte eritreische Regierung unterstützt Terroristen wie die Al-Shabaab und gefährdet den Frieden am ganzen Horn von Afrika. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, jetzt schnell zu reagieren. Äthiopien behält sich das natürliche Selbstverteidigungsrecht vor. Unsere Soldaten sind vor Ort, haben die äthiopisch-eritreische Grenze bislang nicht überschritten."

Die eritreische Regierung äußerte sich zunächst nicht zur tödlichen Entführung. Das international isolierte Regime beschuldigt die äthiopische Regierung jedoch regelmäßig, Vorwürfe gegen Eritrea zu erfinden, um dem kleinen Nachbarland zu schaden.

Nach der ursprünglich von den UN festgelegten Föderation zwischen dem Kaiserreich Äthiopien unter Haile Selassie und der ehemaligen italienischen Kolonie Eritrea nach dem Zweiten Weltkrieg hölte Addis Abeba die Autonomie der Eritreer immer mehr aus und annektierte das Land 1961 faktisch. 1991 gelang es äthiopischen und eritreischen Rebellen gemeinsam, das marxistische Derg-Regime und Diktator Mengistu Haile Mariam zu stürzen, zwei Jahre später erlangte Eritrea friedlich die Unabhängigkeit. Doch bald setzten Grenzstreitigkeiten ein, die 1998 schließlich in einem zweijährigen Grenzkrieg gipfelten. Äthiopien siegte militärisch, 70.000 Menschen starben.

Krisenstab im Auswärtigen Amt

Inzwischen hat auch das Auswärtige Amt einen Krisenstab eingerichtet. Laut BKA-Präsident Jörg Ziercke ist über die Täter bisher nichts bekannt, es gebe allerdings die Vermutung, dass es sich um Rebellen handele. Das Bundeskriminalamt schickt nun mehrere Mitarbeiter in das ostafrikanische Land. Sie sollen bereits am Morgen in Richtung der Hauptstadt Addis Abeba aufgebrochen sein, sagte Ziercke im ARD- Morgenmagazin. Auch der Verbindungsbeamte der Behörde in Kenia sei dorthin beordert worden. "Wir unterstützen dort die deutsche Botschaft, wir versuchen dort die Interessen der deutschen Staatsangehörigen wahrzunehmen, Kontakt zu den Behörden aufzubauen."

Auch zu den Angehörigen in Deutschland sei bereits Kontakt aufgenommen worden. Die Lage sei derzeit sehr unübersichtlich. "Wir müssen sehr vorsichtig sein. Das Lagebild ist sehr diffus im Moment. Wir kennen die Hintergründe noch nicht, wieso es dazu kommen konnte. Und von daher müssen wir vielleicht noch ein, zwei Tage warten, bis wir konkrete Informationen liefern können."

Veranstalter der Reise in diese Region des Landes ist das Dresdner Unternehmen Diamir. Auf dessen Internetseite heißt es, man stehe "mit allen zuständigen Stellen fortwährend in engem Kontakt, um das weitere Vorgehen abzustimmen". Die Betroffenen und deren Angehörige würden betreut.

Andere Reiseveranstalter wie Studiosus veranstalten schon seit Jahren keine Reisen mehr in diese Region des Landes. "Wir haben diese Senke und die lange, grüne Grenze zu Eritrea gemieden", sagt Edwin Doldi, Sicherheitsmanager der Unternehmensgruppe Studiosus zu Süddeutsche.de. Derzeit sei eine Studiosus-Reisegruppe mit 20 Deutschen in der alten Königsstadt Lalibela, etwa 300 Kilometer entfernt von dem Ort des Überfalls. Man beobachte die Lage und werde sich an die Hinweise des Auswärtigen Amtes halten, fügte Doldi hinzu. Auf der Website des Auswärtigen Amtes würde derzeit nur vor Reisen in diese bestimmte Region, nicht aber für ganz Äthiopien gewarnt.

Der Reiseveranstalter Diamir hat inzwischen alle Reisen in die Region abgesagt, die betreffende Reise steht laut eigenen Angaben seit 2006 im Programm und wird mehrmals pro Jahr durchgeführt. Auf der Webseite des Unternhmenen heißt es: "Bis zum gegenwärtigen Zwischenfall hatte Diamir keinerlei Hinweise darauf, dass die Sicherheit der Gäste in der Region in Frage stehen könnte. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls bestand weder für Äthiopien noch für Teile des Landes eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland."

Ganz so stimmt das aber nicht, denn immer wieder kommt es in diesem Gebiet zu Übergriffen auf Touristen, und deshalb bestehe laut Auswärtigem Amt "auch seit sieben Jahren eine Reisewarnung".

Die Danakil-Wüste ist einer der tiefstgelegenen Orte der Erde und wird vom Nomadenvolk der Afar bewohnt. Die Region ist extrem unwirtlich, heiß und arm, aber auch von großer landschaftlicher Schönheit. In dem Gebiet waren 2007 fünf Europäer - vier Briten und eine Französin - entführt und nach knapp zwei Wochen unbeschadet gegen Lösegeld wieder freigelassen worden. Auch 2008 gab es mehrere Überfälle auf Reisegruppen.

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