Tour durch Transsylvanien:Blutsauger und Geschäftemacher

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Vom Holzvampir bis zum "Dracula-Kuss": In Transsylvanien wird der Dracula-Mythos kunstvoll vermarktet - mit der historischen Wahrheit nimmt man es nicht so genau.

Frank Nienhuysen

Gut, die Tomatensuppe leuchtet ein. Eine dampfende Brühe namens "Dracula" für drei Euro, angeboten zwischen Hühnchen- und Siebenbürgischer Schweinefleischsuppe. Den süßen blutroten Cocktail "Dracula-Kuss" gibt es für fünf Euro, aber dass auch noch das Zanderfilet unbedingt "àla Vlad Dracula" serviert werden muss? Der Ober lächelt kühl, was für eine Frage, und sagt: "Viele Touristen bestellen nun mal vor allem die Dracula-Gerichte. Es ist dies schließlich sein Geburtshaus." Angeblich.

Gelb-orange getüncht, steht das Eckhaus inmitten der Altstadt von Sighisoara (Schässburg) im rumänischen Transsylvanien und lockt mit dem Mythos, hier sei 1431 Vlad Tepes "der Pfähler" geboren, jener blutdürstige Walachei-Fürst, der Bram Stoker für seine schaurige Romanfigur inspiriert hat. Bewiesen ist das nicht. Geboren wurde er wohl in dem mittelalterlichen Ort, das Haus aber soll nach Angaben von Historikern erst deutlich später gebaut worden sein.

Den Mythenpflegern rund um das Drei-Sterne-Restaurant "Casa Vlad Dracul" ist das einerlei. Am Eingang lotst ein Holz-Dracula die Besucher mit ausgebreiteten Armen die Treppe hinauf, an deren Ende eine meterhohe Tepes-Büste steht. Von Graf Dracula selber ist nichts zu sehen in dem Ort, trotz der hohen Zahl potentieller Opfer, die durch die Altstadtgassen flanieren. Aber es ist ja auch noch hell draußen, und vielleicht kleben an der magnetischen Devotionalientafel die Kruzifixe einfach zu nahe an den Porträts des finsteren Fürsten.

Natürlich ist das Dracula-Haus die Attraktion für fotografierende Touristen, die in Sighisoara rundum versorgt werden - mit Tassen samt aufgedrucktem Cocktailrezept (50ml BlutgruppeAB, 30ml BlutgruppeA, 20ml Blutgruppe0, Zitrone und etwas Eis), mit Schlüsselanhängern, Shirts und blutunterlaufenen Eckzähnen made in China. Der etwas verstockte junge Ladenbesitzer sagt, ganz sicher sei Vlad Tepes geboren worden dort drüben in dem Gebäude, und seine Kollegin bestätigt: "Ja, in dem gelben Haus".

Mythos, Legende und Fakten werden im Draculaland mühelos miteinander verschmolzen. Dabei ist die Region um Sighisoara, dessen historisches Zentrum zum Weltkulturerbe gehört, auch ganz ohne Vampir touristisch attraktiv. Spätestens mit dem EU-Beitritt Rumäniens zu Beginn dieses Jahres und dem Status des siebenbürgischen Sibiu als Europas Kulturhauptstadt entdecken immer mehr Ausländer die Schätze Transsylvaniens, die mittelalterlichen Kirchburgen, die pittoresken Altstädte. Und doch gilt vor allem: Dracula sells.

Durch die prächtigen grünen Karpaten in Richtung Bran. Dort, an der gebirgigen Grenze zwischen Transsylvanien und der Walachei, ist der Hype womöglich noch größer, und das schwarze Hinweisschild mit der Aufschrift "Vampire Camping" verrät, dass es nun nicht mehr weit sein kann. Schloss Bran thront hoch oben auf einem Felsen, und niemand zweifelt daran, dass die Kulisse wie gemeißelt ist als Sitz des untoten Blutsaugers.

Das Gebäude aus dem 14.Jahrhundert gilt gemeinhin als "das Dracula-Schloss". Ist es aber nicht. Vlad Tepes lebte auf der Burg Poienari, nur lassen sich die dortigen Ruinen nicht so hübsch vermarkten wie das türmchen- und erkergesäumte Schloss Bran, das die findigen Kommunisten in den siebziger Jahren stattdessen herzeigten.

Der Weg zum verwinkelten Gebäude führt durch ein basarähnliches Gewirr von Buden und Marktständen. In den Verkaufskörben liegen abermals Blutsauger-Utensilien, abgerissene Gummihände, Hexenpuppen mit Besenstil, Horrormasken und - aufgedruckt, aufgeprägt, aufgeklebt - tausendfach der Kopf von Vlad Tepes, dem Pfähler. Abgerundet wird das Angebot mit Dracula-Rotwein, importiert aus Kalifornien.

Der Weg hinauf zum Schloss ist steil und führt vorbei an einer tanzenden Folkloregruppe aus Bulgarien. Am Eingang steht eine Gruppe junger Russinnen, die allein wegen der Dracula-Legende gekommen sind. ,,Aber wissen Sie, dass Vlad Tepes gar nicht in dem Schloss gelebt hat?'' - "Wissen wir". Manuela Grancea, die seit 14 Jahren die Besucher durch das Schloss führt, weiß natürlich, dass der Dracula-Mythos von Bran auf einer brüchigen Grundlage steht.

Sie sagt, Bran sei eine militärische Festung gewesen, Tepes habe das wichtige Grenzgebiet zwischen Transsylvanien und Walachei kontrolliert, aber nur Soldaten hätten hier gelebt, kein Herrscher. Sicher aber habe er die eine oder andere Nacht auf dem Schloss verbracht. Sicher.

Bis zu 4000 Besucher am Tag

Es gibt viel zu sehen in den Gemäuern und knapp 30 Gemächern, Mobiliar aus der Zeit zwischen dem 16.und 19. Jahrhundert, Sekretäre, Gemälde, Betten aus Italien, die mit der Geschichte des Schlosses zu tun haben, mit der königlichen Familie Rumäniens, die zeitweise in Bran residierte. Nicht aber mit Vlad Tepes.

Grancea sagt, täglich kämen 3000 bis 4000 Touristen ins Schloss, 90Prozent von ihnen wegen der Legende. Viele Rumänen verzichten inzwischen auf einen Besuch und reisen lieber zum Urlaub ins Ausland, dafür wächst die Zahl der Touristen aus West- und Osteuropa, aus Asien und Amerika.

Sie schieben sich durch enge Gewölbegänge und verwinkelte Ecken, auf der Suche nach etwas Gruselgefühl, das im Strom der Besucher aber nur schwer aufkommt. "Dracula ist nicht da", sagt lächelnd die Führerin, deren Freunde ihr den Spitznamen "Draculina" gegeben haben.

Weit weg ist auch der Eigentümer des Schlosses, Dominic von Habsburg. Er lebt in den USA und will das Schloss für knapp 60 Millionen Euro verkaufen. Der rumänischen Regierung, die ein Vorkaufsrecht besitzt, ist das zu viel. Und so wird noch eine Weile gefeilscht werden.

Spätestens in zwei Jahren aber, sagt Draculina, wolle Habsburg entscheiden, wie es weitergehen werde. Interessenten, auch private, gebe es eine Menge, versichert sie. Und dann? Ein Restaurant? Ein Hotel? "Das geht doch nicht", sagt die Schlossführerin. Das Gebäude selber habe jedenfalls bereits einen neuen Status erhalten. "Es ist zu einem historischen Monument von strategischer Bedeutung erklärt worden." Daran dürfte wohl keiner der Besucher zweifeln.

© SZ vom 14.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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