Pressekonferenz nach Höhlenrettung:"So hatten wir wenigstens etwas zu tun"

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  • Acht Tage nach dem glücklichen Ende des Höhlendramas in Thailand dürfen die zwölf Jungen des geretteten Fußball-Teams wieder nach Hause.
  • Auf einer Pressekonferenz zeigt sich das Team erstmals wieder in der Öffentlichkeit.
  • Die Jungs und ihr Trainer erzählen dabei, wie sie ihre lebensgefährliche Rettung erlebt haben.

Von Max Sprick

Ihre Gesichter verändern sich, als sie nach dem toten Taucher gefragt werden. Fast eine Stunde lang haben die zwölf Jungen und ihr Trainer, die vor gut einer Woche aus der Tham-Luang-Höhle in Thailand gerettet wurden, gelächelt und gelacht - live zu sehen im Fernsehen. Sie hatten ein bisschen gekickt, Peace-Zeichen gezeigt und sich über den Applaus gefreut, der sie empfing, als sie zur Pressekonferenz kamen - ihr erster öffentlicher Auftritt, seit sie wieder draußen sind. Die Fragen, die ihnen dort gestellt wurden, waren zuvor eingereicht und von Psychologen abgenickt worden. Und dann kommt die Frage nach Saman Kunan. Keiner lächelt, keiner lacht mehr.

"In der Dunkelheit haben wir versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben"

Der 37-Jährige hatte seinen Armeedienst eigentlich schon beendet, war extra für die Rettung der eingeschlossenen Fußballmannschaft zurückgekehrt - und ertrunken, nachdem ihm der Sauerstoff ausgegangen war, als er Pressluftflaschen für die Bergung der Fußballer in der Höhle platzierte. Die Geretteten erfuhren davon erst am vergangenen Wochenende. Wegen ihres schwachen körperlichen und psychischen Zustands hatten die Ärzte sie schützen wollen. "Diese Nachricht war für uns ein Schock", sagt nun Ekaphol Chantawong, der 25-jährige Trainer, der sein Team in die Höhle geführt hatte. "Schuld an seinem Tod zu sein, seiner Familie diesen Verlust verursacht zu haben, hat uns sehr traurig gemacht."

Der Trainer musste auch die Frage beantworten, warum die Mannschaft den Ausflug in die Höhle gemacht hat. Er sei dem Wunsch seiner Spieler gefolgt, sagt er. Einige von ihnen seien schon mal in der Höhle gewesen, andere nicht, deswegen hätten sie als Team zusammen hineingehen wollen, sagt Ekaphol, den alle nur Ake nennen. "Ich habe den Jungs gesagt, wir hätten nur eine Stunde, dann müssten wir wieder raus" - weil einer der Fußballer zur Nachhilfe musste. Doch dann kam der Regen. Sie hätten ihn nicht gehört, nur plötzlich gemerkt, dass das Wasser anstieg, erzählen die Jungen. Auf einmal hätten sie schwimmen müssen, um weiterzukommen. Übrigens könnten alle schwimmen, betont Ake. Manche besser, manche schlechter.

Irgendwann hätten sie festgestellt, dass sie es nicht zum Ausgang schaffen würden. Also suchten sie nach einem Platz, der ihnen sicher erschien, und beschlossen, dort auf den nächsten Tag zu warten. Dann würde das Wasser sicher sinken. Tat es aber nicht. Und die Fußballer und ihr Trainer hatten keinen Proviant dabei. Sie tranken Wasser, das von der Decke tropfte. Sie versuchten, sich freizugraben. "So hatten wir wenigstens etwas zu tun", sagt einer. Sie hätten zwar Taschenlampen dabei gehabt, doch bald waren die Batterien leer. "In der Dunkelheit haben wir versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben", sagt Ake. Sie wollten Rufe möglicher Retter nicht verpassen.

Nach dem zweiten Tag fühlten sie sich hungrig, versuchten, nicht an Essen zu denken, sagen sie. Für weitere acht Tage. Dann, endlich, vernahmen sie Stimmen. "Wir haben sie erst nicht für real gehalten", sagt der 14-jährige Dul. Er war derjenige, der als erster mit den ankommenden Tauchern sprach. "Ich war überrascht, dass es kein Thai war, der zu uns kam." Dieser Moment, als ein britischer Rettungstaucher ihn fragte, zu wievielt sie da ausharren, sei ihm wie ein Wunder vorgekommen. Dann kamen weitere Taucher, die ihnen Essen brachten, mit ihnen Dame spielten und sie auf ihre Rettung vorbereiteten. Keiner der Jungs habe sich aufgedrängt, als erstes rauszukommen, sagt Trainer Ake. "Wir waren inzwischen so vertraut miteinander."

17 Tage nach dem verhängnisvollen Ausflug waren schließlich alle Jungen gerettet. Nun sind sie gesund genug, um das Provinzkrankenhaus in Chiang Rai zu verlassen. Die Erfahrungen in der Dunkelheit haben sie für ihr Leben geprägt. Was sie nun damit anfangen wollen, werden die Jungs gefragt. Spätestens jetzt können sie wieder lachen. "Ich muss mich erst mal bei meinen Eltern entschuldigen", sagt ein Junge. "Ich hatte ihnen nur erzählt, dass ich zum Fußball gehe, nicht, dass wir danach noch in die Höhle gehen." Das scheint einigen anderen ähnlich zu gehen, sie nicken kräftig. "Ich möchte ein gutes Mitglied der Gesellschaft sein", sagt einer. "Ich habe daraus gelernt, vorsichtiger zu sein, meine Handlungen besser zu planen", sagt ein anderer. Trainer Ake sagt: "Wir müssen unser Handeln stärker überdenken. Und die Freundlichkeit unserer Mitmenschen wertschätzen." Vier der Jungen sagen, sie möchten nun selbst Marinetaucher werden. Die vielen angereisten Zuhörer applaudieren.

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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