Terrorismus:Hintergrund: Was wir bislang wissen - und was nicht

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Französische Flagge auf halbmast am Museum Louvre in Paris. (Foto: Malte Christians)

Paris/Berlin (dpa) - Die Ermittlungen zu der verheerenden Terrorserie von Paris fördern immer mehr Details zutage. Es sind aber auch noch viele Fragen offen.

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Paris/Berlin (dpa) - Die Ermittlungen zu der verheerenden Terrorserie von Paris fördern immer mehr Details zutage. Es sind aber auch noch viele Fragen offen.

WAS WIR WISSEN:

- Die Attacken wurden von drei Terrorkommandos verübt. Sie schlugen am Freitagabend an sechs Orten in Paris und im Vorort Saint-Denis koordiniert zu, schossen wahllos auf Menschen oder sprengten sich selbst in die Luft. Die Angreifer benutzten Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow und trugen identische Sprengstoffwesten.

- Mindestens 129 Menschen wurden getötet, 352 weitere teils lebensgefährlich verletzt. Unter den Toten ist ein Deutscher.

- Sieben Terroristen starben. Einer wurde erschossen, sechs sprengten sich in die Luft. Zuerst war von acht getöteten Angreifern die Rede.

- Der Bruder eines Selbstmordattentäters aus dem Musikclub „Bataclan“ ist möglicherweise auf der Flucht. Die belgische Justiz schrieb den 26-jährigen Abdeslam Salah am Sonntag international zur Fahndung aus. Bereits am Samstag war ein weiterer Bruder des Attentäters in Belgien festgenommen worden.

- Weitere Indizien weisen darauf hin, dass einigen Terroristen die Flucht gelungen sein könnte. Ermittler stellten am Sonntagmorgen östlich von Paris einen schwarzen Seat sicher, aus dem heraus die Attentäter die Cafés und Restaurants beschossen hatten. Darin wurden nach Medienberichten drei Kalaschnikows gefunden.

- In der Nähe des „Bataclan“ war zuvor schon ein schwarzer Polo mit belgischem Kennzeichen gefunden worden. Dieser Wagen soll von einem Franzosen angemietet worden sein, der in Belgien lebt. Der Mann geriet am Samstagmorgen in einem dritten Auto in eine Routinekontrolle, wurde zunächst aber nicht festgenommen. Mit im Wagen waren mehrere Personen mit Wohnsitz in der Region Brüssel. Ein weiterer verdächtiger Mietwagen mit belgischem Kennzeichen wurde in der Nähe des Pariser Friedhofs Père Lachaise entdeckt.

- Die Polizei durchsuchte am Samstagabend im Brüsseler Stadtteil Molenbeek mehrere Wohnungen und nahm sieben Menschen fest. Einer der Festgenommenen soll am Freitagabend in Paris gewesen sein. Bei der Aktion wurde auch der Wagen sichergestellt, der am Morgen in die Routinekontrolle geraten war.

- Die meisten Opfer gab es beim Überfall auf ein ausverkauftes Rockkonzert im „Bataclan“. Auch mehrere Cafés und Restaurants in der Nähe wurden beschossen. Drei Selbstmordattentäter sprengten sich vor dem Fußball-Stadion Stade de France in die Luft, wo die deutsche Nationalmannschaft gegen Frankreich spielte. Der Pariser Sport-Staatssekretär Thierry Braillard bestätigte, dass die Attentäter in das Stadion eindringen wollten. Warum sie scheiterten, sagte er nicht.

- Als einer der „Bataclan“-Attentäter wurde der 29-jährige Franzose Omar Ismaïl Mostefaï identifiziert. Der mehrfach vorbestrafte Kleinkriminelle war den Behörden wegen seiner Radikalisierung bekannt, fiel aber bisher nicht im Zusammenhang mit Terrornetzwerken auf. Zwei weitere der getöteten Terroristen lebten zuletzt im Großraum Brüssel, auch sie hatten einen französischen Pass.

- Frankreichs Präsident François Hollande machte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich und sprach von einem „Kriegsakt“. Der IS bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Erklärung im Internet zu den Anschlägen.

- Die Angreifer sollen beim Überfall auf das „Bataclan“ „Allah ist groß“ gerufen und ihre Taten mit der Situation in Syrien und im Irak begründet haben. In beiden Ländern fliegt Frankreich Luftangriffe.

- Bei den Überresten eines der Selbstmordattentäter vom Stade de France wurde ein syrischer Pass gefunden. Es verdichten sich die Hinweise, dass dieser Mann und ein weiterer Attentäter gemeinsam als Flüchtlinge getarnt in die EU einreisten. Einer von ihnen, ein 25-Jähriger namens Ahmed Almuhamed, soll am 7. Oktober in Serbien eingetroffen sein. Am 3. Oktober war er laut griechischen Behörden als Flüchtling auf der Insel Leros registriert worden. Nach Medieninformationen aus Polizeikreisen könnte auch sein mutmaßlicher Komplize über die Türkei nach Griechenland eingereist sein. Beide sollen zusammen von Leros aus die Fähre nach Piräus genommen haben.

WAS WIR NICHT WISSEN:

- Am Sonntagnachmittag war noch unklar, ob unter den Toten und Verletzten weitere Deutsche sind.

- Offen ist nach wie vor, wie viele Terroristen es insgesamt gab - und damit auch, ob und wie viele Attentäter oder Komplizen noch auf freiem Fuß sind und ob womöglich noch akute Gefahr besteht.

- Bisher sind erst drei Attentäter offiziell identifiziert, Näheres wurde nur über Mostefaï bekannt. Kamen die anderen Angreifer aus dem Ausland oder lebten sie in Frankreich? In welcher Verbindung standen sie zueinander, wie organisierten sie sich? Und planten sie die Anschläge eigenständig, oder wurden sie von Hintermännern instruiert und gesteuert? Mit Unklarheiten wie diesen hängt auch die Frage nach eventuellen Versäumnissen zusammen. Fragen wirft auch der gefundene syrische Pass auf. Ist das Dokument echt oder gefälscht? Und warum hatte es der Attentäter überhaupt bei sich?

- Rätsel gibt ein Mann aus Montenegro auf, der vor gut einer Woche von der Polizei in Oberbayern mit Maschinenpistolen, Handgranaten und Sprengstoff im Auto gestoppt wurde. Angeblich war er damit auf dem Weg nach Paris. Ein Zusammenhang mit den Anschlägen wird geprüft.

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