Sylt:Attacke vor der Tabledance-Bar

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Nach seinem Tod gedachten Sylter mit Blumen des japanischen Kochs. (Foto: Friederike Reußner/dpa)

Nach dem Tod eines Kochs verurteilt ein Gericht zwei Handwerker. Ein Streit über Nudeln soll den Japaner das Leben gekostet haben.

Von Thomas Hahn, Flensburg

Miki Nozawa aus Tokio war ein Koch am Ende seines Arbeitslebens, als es im Mai 2013 zu einer fatalen Begegnung mit zwei Männern kam. Nozawa war 57 Jahre alt und weit gereist. Kein Starkoch, als der er in manchen Berichten über den Fall schon bezeichnet wurde, auch wenn er einst im "Billionaire Club" gearbeitet hatte, einer exklusiven Diskothek des früheren Formel-1-Managers Flavio Briatore auf Sardinien.

In Westerland auf Sylt betrieb Miki Nozawa einen Asia-Imbiss, und dort fing die schlimme Geschichte auch an: mit einem Nudelgericht nämlich, das den Sylter Handwerkern Klaus Werner M., 51, und Torsten V., 38, nicht schmeckte. Nun, zwei Jahre später, stehen M. und V. wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts in Flensburg.

Was ganz genau geschah in jener Nacht, das ist in den Verhandlungen nicht ganz einfach herzuleiten gewesen. Die entscheidende Auseinandersetzung jedenfalls ereignete sich vor einer Tabledance-Bar in Westerland. Es gab nur eine Zeugin. Diverse Gutachten sollten Klarheit bringen. Eines davon stellte fest, dass Nozawa Kokain genommen und mehrere Vorerkrankungen hatte: Bypässe, Arteriosklerose, Bluthochdruck. "Ohne Kokain, gesundes Herz, junger Mann - dann wäre das anders ausgegangen", sagte ein Sachverständiger.

Alle waren betrunken, der Koch stand zudem unter Kokaineinfluss

Die Angeklagten äußerten sich in dem Verfahren nicht, so wie es ihr Recht war. Es gab nur eine Erklärung von V., die er von seinem Verteidiger verlesen ließ: Er habe 15 bis 20 halbe Liter Bier intus gehabt, er sei zu dieser Zeit alkoholabhängig gewesen. Er habe keine Erinnerung an den Hergang und nie die Absicht gehabt, dass jemand zu Tode komme. Der Japaner habe angefangen. Letzteres stand auch in einem Brief, den M. an seinen Sohn richtete.

Aber klar ist, dass die drei Männer sich in der Tabledance-Bar Z1 in Westerland trafen. Alle drei waren "deutlich angeschlagen", wie es der Staatsanwalt Björn Dellius ausdrückte. Alle waren betrunken, Nozawa stand zudem unter Kokaineinfluss. Die beiden Handwerker - auch das ergab das Verfahren- neigten zumindest im betrunkenen Zustand zu Aggressivität. Im Z1 müssen die drei den Streit über die Qualität des Essens in Nozawas Imbiss wieder aufgenommen haben. Es gab Schubsereien, aber noch keine Körperverletzungen. Erst vor der Bar eskalierte der Konflikt. M. und Nozawa gerieten wieder aneinander, aber vor allem V. muss handgreiflich geworden sein. Die einzige Zeugin sagte aus, sie habe in der Bar auf einem Videoschirm gesehen, wie V. Nozawa an den Schultern zu sich zog und ihm das Knie mehrmals gegen den Oberkörper stieß. Ein Gutachten legte nahe, dass die Darstellung stimmt. Außerdem wies Nozawas Körper neben diversen Verletzungen Trittspuren auf, die zu den Schuhen des Angeklagten V. passten. Still und kraftlos saß V., ein gedrungener, klein gewachsener Mann, auf der Anklagebank, als die Verhandlung auf seine Verurteilung zulief. Er bekam noch einmal das Wort. Er nuschelte einen Satz, der wohl eine Entschuldigung war, von dem man aber nur das Ende leise verstand: ". . . das wird mich auch immer beschäftigen." Am Schluss dauerte es einen halben Nachmittag lang, ehe der Richter Michael Lembke sein Urteil sprach im Fall des Kochs, den ein Streit um sein Essen das Leben gekostet hat. Der Anwalt des Nebenklägers Leonardo Donati, des jugendlichen Sohns von Nozawa, stellte zunächst einen etwas fahrigen Antrag, den Lembke ablehnte. Es folgten die Plädoyers. Ruhig legte der Staatsanwalt Dellius dar, warum er es für richtig hielte, V. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen, und dessen Freund M. wegen versuchter Nötigung. Die Verteidiger redeten ebenso ruhig. Und nach einer einstündigen Pause sprach der Richter Lembke endlich sein Urteil. Er sagte: "Das ist eine Tat gewesen, bei der tragischerweise ein Mensch auf der Strecke geblieben ist." Torsten V. muss wegen Körperverletzung mit Todesfolge für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis, die Haftstrafe wird angerechnet auf die zweijährige Unterbringung in einer Entzugsanstalt. Klaus Werner M. kommt wegen versuchter Nötigung mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 40 Euro davon.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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