Schweden:Ein sprachloser König

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Weihnachtsansprache mit bitterem Resümee: Schwedens König Carl XVI. Gustaf beklagt den Umgang von Regierung und Behörden mit der Corona-Pandemie. (Foto: Bertil Ericson/dpa)

Carl XVI. Gustaf wäre gerne ein moderner Monarch. Aber Schwedens König ist zu Neutralität verdammt, er darf sich zu politischen Vorgängen im Land nicht äußern. Leicht ist das nicht. Hadert Schwedens König mit seinem Amt?

Von Silke Bigalke, Stockholm

Die Frage über das grüne Sofa blockt der König gleich ab, vielleicht hat er sie auch falsch verstanden. Carl XVI. Gustaf von Schweden möchte lieber über die Zukunft reden, sagt er. Dabei hatte die Palastsprecherin zuvor auf die historische Bedeutung des grünen Möbelstücks hingewiesen: Dort hätten der König und seine Silvia bereits gesessen, als sie 1976 ihre Verlobung bekannt gaben. Nun sitzen sie wieder dort, im Stockholmer Schloss, der König zurückgelehnt in einer Sofaecke, die Königin kerzengerade vorne auf der Kante.

Der König möchte über die Zukunft reden, über den Staatsbesuch in Deutschland im Oktober, über den "wichtigsten Wirtschaftspartner" Schwedens, das geplante Treffen mit Angela Merkel, seinen Besuch in einem Max-Planck-Institut. Privat ist das Königspaar oft in Deutschland. Es ist die Heimat der König, die als Silvia Sommerlath in Heidelberg geboren wurde, und die viele Deutsche auch ein bisschen als ihre Königin betrachten. Doch der letzte offizielle Staatsbesuch ist 37 Jahre her.

Die Schweden hadern zuweilen mit ihrem Staatsoberhaupt, Kronprinzessin Victoria ist den meisten von ihnen längst lieber. Sie gilt als modern, tüchtig, klug. Carl XVI. Gustaf ist gerade 70 geworden, Gerüchte um seine Sex-Eskapaden haben dem Vertrauen ins Königshaus vor sechs Jahren einen Knick verpasst. In einer Sifo-Umfrage im Frühjahr wollte jeder vierte Schwede die Monarchie abschaffen.

Dabei bemüht sich der König, modern zu sein und offen. Im Schlosshof parkt sein Elektroauto, zumindest sagt ein Schlossangestellter, dass der dunkelgraue Kombi mit der Hundedecke im Kofferraum und dem Stromkabel an der Motorhaube dem Monarchen gehöre. Zeitgemäß zu sein, das sei sein Motto, sagt Carl Gustaf selbst. "Das bedeutet, ich möchte keine konservative Institution sein, aber gleichzeitig bin ich auch kein Revolutionär. Ich versuche zu erspüren, was die Menschen von uns, von der Monarchie wollen."

Ein Balanceakt, denn politisch äußern darf sich der König nicht. Das hat er neulich wieder zu spüren bekommen, als er erklärte, das neue Nobel Center, das in Stockholm gebaut werden soll und das er dann von seinem Schloss aus sehen kann, würde zu groß. Sofort wurde diskutiert, ob er sich denn einmischen dürfe. Fällt ihm das nicht schwer, den Mund zu halten, wenn die Politiker streiten? "Natürlich, aber das ist nichts Neues", sagt er. Die schwedische Monarchie sei unpolitisch. Es gebe jedoch stets Wege, seine Gefühle und seine Meinung über die Dinge mitzuteilen, nur eben keine offiziellen.

Sein Nachbar-König, Harald V. von Norwegen, hat kürzlich ganz offiziell für mehr Toleranz in seinem Land geworben. "Norweger sind Mädchen, die Mädchen mögen, Jungen, die Jungen mögen", sagt er während einer Feier. "Norweger glauben an Gott, Allah, alles und nichts." Die Rede wurde auf Facebook mehr als drei Millionen Mal angesehen. "Wir müssen so offen wie möglich sein", sagt auch der schwedische König, doch dann zögert er, weil er weiß, dass dies nun "eher politisch" wird. "Trotzdem, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Schweden kommen, ist hoch und wir alle haben ein Herz und wollen den Menschen helfen, die in Not sind." Königin Silvia geht noch weiter: "Wenn Frau Merkel sagt, das schaffen wir schon, das finde ich, sitzt in uns allen, das man das wirklich gerne macht." So viel Politik geht dann doch.

Und noch eine politische Frage: Ist Abdanken nach 43 Jahren auf dem Thron eine Option? "Wir haben diese Tradition nicht", sagt der König und zeigt auf seinen Urgroßvater Gustaf V., der rechts neben ihm hängt, auf den Vater hinter ihm. Noch nie hat ein schwedischer König abgedankt. Carl XVI. Gustaf schaut sich nach den Bildern um, als suche er Unterstützung. Sie kommt von der Hofsprecherin: Das Gespräch sei nun beendet.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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