Schumacher nach Ski-Unfall in Grenobler Klinik:"Das war keine Raserei"

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Vor der Klinik in Grenoble warten nicht nur Reporter, sondern auch viele Fans von Schumacher. (Foto: REUTERS)

Durch einen Fehler beim Schwung und nicht durch Raserei ist Michael Schumacher auf einen Felsen gestürzt, stellt seine Managerin klar. Die Ärzte halten sich mit Prognosen zurück, seine Familie meidet die wartenden Reporter. Manche treibt das zu unrühmlichen Aktionen.

Von Christian Wernicke, Grenoble

Die Ärzte wählen ihre Worte vorsichtig. Und sie wollen keine Prognose wagen, ob (oder wie) Michael Schumacher in Zukunft leben wird - nicht "für morgen, in sechs Monaten oder in zwei Jahren". So formuliert es am Dienstag Gérard Saillant, Traumatologe und Freund der Familie des Ex-Rennfahrers. Der Professor füllt in diesen Tagen im Kampf um das Überleben des 44-Jährigen Schwerstverletzten eine schwierige Doppelrolle aus: Er beratschlagt mit den Ärzten der Uni-Klinik von Grenoble das weitere Vorgehen, und er berät Ehefrau Corinna vor Entscheidungen über Leben und Tod. Etwa darüber, ob die Mediziner noch eine weitere Hirnoperation riskieren sollen.

In der Nacht zum Dienstag haben sie eine zweite Operation gewagt - mit Erfolg. Bei dem zweistündigen Eingriff wurde kurz vor Mitternacht aus Schumachers linker Hirnhälfte ein Hämatom entfernt. Das reduziert wenigstens etwas den lebensgefährlichen Druck im Schädel des siebenfachen Weltmeisters. "Die Lage ist nun besser unter Kontrolle als gestern", glaubt Jean-Francois Payen, der Chef der Intensivstation der Uniklinik, der in seinem weißen Arztkittel vor 43 Kameras und ungefähr 150 Journalisten aus aller Welt sitzt.

"Es ist eine gewisse Stabilisierung", ergänzt sein Kollege Emmanuel Gay, also jener Neurochirurg, der den heiklen Schnitt wagte. Und Gérard Saillant, der Freund und Helfer, stockt zwar, als ihm das Wörtchen "optimistisch" über seine schmalen Lippen kommt: "Aber wir sind weniger besorgt als gestern." Gegenüber, an der Stirnwand des Konferenzsaals der Uni-Klinik, hängt ein tiefblaues Plakat, auf dem in frohem Rot und mit schwungvoller Kinderschrift zwei Worte prangen: "Je vis" - "Ich lebe".

Das sind, angesichts der schrecklichen Lage nach Schumachers Skiunfall, gute Nachrichten. Besser kann die Diagnose kaum ausfallen nach dem schweren Hirn-Trauma, das der Kerpener beim Sturz auf der Piste von Méribel in den französischen Alpen am Sonntag erlitten hatte. Der Patient schwebt weiterhin in Lebensgefahr - aber in Grenoble glüht ein Funken Hoffnung.

Manche Reporter verlieren die Hemmungen

Die Journalisten aus Europa, Nord- wie Südamerika, aus Australien und Afrika verbreiten die Nachricht binnen Minuten. So schnell, als wäre Schumacher soeben zum achten Mal Weltmeister geworden. Am Sonntagabend trafen die ersten Reporter auf dem Parkplatz vor dem Betonklotz der Uni-Klinik ein, inzwischen trotzt eine Heerschar der eisigen Kälte. Ab und an wagt sich einer mit dem Fahrstuhl hinauf in den fünften Stock, in das kühle Neonlicht vor der Intensivstation I. Ein freundlicher Sicherheitsposten weist jeden Neugierigen in die Schranken.

Die Informationen fließen spärlich. Schumachers Angehörige - seine Frau Corinna, seine Kinder Mick (14) und Gina-Marie (16), Vater Rolf wie auch Bruder Ralf - meiden allesamt die Meute. Sie werden über Seitengänge in und aus dem Hospital geschleust. Manche Reporter lungern auf den Gängen herum, seit das Gerücht wabert, am Montag habe ein Klinikmitarbeiter gegen Geld "heiße Infos" feilgeboten.

Und ein News-Jäger verlor sämtliche Hemmungen: Er verkleidete sich als Priester, um bis in das Krankenzimmer vorzudringen, in dem Schumacher im Koma liegt. Sabine Kehm, Schumachers sichtlich empörte Managerin, schluckt ihre Wut herunter, ehe sie solche Methoden mit einem Adjektiv belegt: "Abscheulich!" Dann fügt sie hinzu: "Lassen Sie die Ärzte arbeiten - und die Familie in Ruhe!"

"Das war keine Raserei"

Auch Sabine Kehm muss warten. Und bangen, mit sichtlich geröteten Augen. Aber sie kann, immerhin, den Hergang des verheerenden Unfalls vom Sonntagmittag erhellen. Ja es stimme, Michael Schumacher sei in einen ungesicherten Raum zwischen zwei Pisten gefahren - aber nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil er dort einem gestürzten Freund habe aufhelfen wollen.

Danach, so hätten Skipartner des Ex-Piloten ihr erzählt, sei Schumacher wieder losgefahren und habe - das ist ihr wichtig - "bei niedriger Geschwindigkeit" auf seinen Ski einen Schwung versucht. Dabei sei Schumacher "auf einen Felsen geraten, in die Luft katapultiert worden und schließlich mit dem Kopf auf einem anderen Felsen aufgeschlagen." Kehm weiter: "Das war keine Raserei. Ein Skilehrer hat mir gesagt, so etwas könne bei schon zehn Stundenkilometern passieren."

Auch das ist eigentlich eine Neuigkeit - ein langsamer Schumacher. Nicht alle, die auf News warten, wollen sie bisher hören.

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