Schiffsunglück mit etwa 800 Toten:Marine entdeckt wohl Wrack der jüngsten Flüchtlingskatastrophe

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  • Etwa 150 Kilometer vor der libyschen Küste hat die italienische Marine auf dem Meeresboden ein Schiff entdeckt. Es könnte sich um das Boot handeln, das Mitte April in dem Gebiet untergegangen ist.
  • Bei dem Unglück waren Hunderte Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die Zahl der Opfer wird auf etwa 800 geschätzt. Viele Leichen könnten sich noch im Inneren des Schiffs befinden.

Schiff in 375 Metern Tiefe entdeckt

Die italienische Marine hat wahrscheinlich das Flüchtlingsschiff entdeckt, das Mitte April mit Hunderten Menschen an Bord gekentert ist. An diesem Donnerstag sei etwa 85 Seemeilen (etwa 150 Kilometer) nordöstlich der libyschen Küste in etwa 375 Metern Tiefe ein blaues Schiff lokalisiert worden, teilte die Marine mit.

Es könne sich um das Boot handeln, das in der Nacht zum 19. April gesunken ist und vermutlich etwa 800 Menschen in den Tod gerissen hat. 28 wurden gerettet, 24 Leichen wurden geborgen. Überlebende berichteten, dass ein Großteil der Passagiere unter Deck zusammengepfercht war, als das Schiff kenterte.

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Die Toten zählen, den Lebenden helfen - das versucht die Internationale Organisation für Migration. Mitarbeiter wie Flavio di Giacomo sind oft die ersten Kontaktpersonen für Flüchtlinge, wenn sie die italienische Küste erreichen.

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Die italienische Polizei hatte nach dem Unglück den tunesischen Kapitän und ein syrisches Besatzungsmitglied festgenommen. Sie waren unter den Überlebenden der Katastrophe. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen mehrfache fahrlässige Tötung, Menschenhandel und Schiffbruch vor.

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27 Überlebende der jüngsten Flüchtlingskatastrophe treffen auf Sizilien ein. Zwei von ihnen sollen zur Besatzung des havarierten Schiffes gehört haben und werden festgenommen. Die UN gehen inzwischen von 800 Toten aus.

Ausweitung der Seenothilfe

Als Reaktion auf die erneute Flüchtlingskatastrophe will die Europäische Union die Seenothilfe massiv ausweiten. Bei einem Krisentreffen der Außen- und Innenminister wurden Pläne für eine Verdoppelung der Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon auf den Weg gebracht. Sie sollen den Einsatz von deutlich mehr Schiffen ermöglichen.

Flucht auf völlig überladenen Booten

Das Bürgerkriegsland Libyen ist derzeit ein Haupttransitland auf dem Weg nach Europa. Viele Flüchtlinge treten von hier die Fahrt über das Mittelmeer oft auf völlig überladenen und nicht seetüchtigen Booten an - bisweilen sogar ohne genügend Treibstoff.

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© Süddeutsche.de/AFP/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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