Kaum ein Tier wird so grob unterschätzt wie das Schaf. Die Vertreter der Gattung Ovis werden gemeinhin als strohdumme Herdentiere dargestellt, als Witzfiguren und für Schimpfwörter missbraucht. Der berühmte Zoologe Alfred Brehm urteilte in seinem zoologischen Standardwerk Brehms Tierleben ziemlich abfällig über das Schaf: "Es begreift und lernt nichts [...] Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich."
Bäääh! Aus heutiger Sicht muss man laut gegen solche Vorurteile anblöken. Brehm hat wissenschaftlich total unschaf gearbeitet. Forscher der Universität von Cambridge haben die Intelligenz von Schafen mittlerweile systematisch untersucht und sind dabei zum Schluss gekommen, dass die wuscheligen Vegetarier verkannte Genies sind. Sie können sich mindestens 50 Gesichter ihrer Artgenossen und zehn von Menschen merken, länger als zwei Jahre. Außerdem sind Schafe in der Lage, sich hervorragend räumlich zu orientieren, Formen und Farben zu unterscheiden und aus Labyrinthen herauszufinden. Übrigens können Schafe mit den Füßen riechen, weil sie Geruchsdrüsen zwischen den Hufen haben.
"Das erste Mal sah es aus wie ein Scheiße-Emoji"
Im Schafskopf steckt ein Gehirn, das so groß und ähnlich strukturiert ist wie das von Primaten. Die Paarhufer schaffen damit Erstaunliches: Schafe überwinden Hindernisse durch kreative Taktiken, etwa indem sie über im Boden eingelassene Metallgitter robben - Kühe und sogar Hunde verweigern oft an solchen Stellen. Und sie knüpfen jahrelange Freundschaften mit Artgenossen. Australischen Wissenschaftlern zufolge sind Schafe ähnlich sozial wie Schimpansen. Weitaus friedlicher und empathischer als viele Menschen sind sie sowieso. Studien haben gezeigt, dass Schafe Emotionen wie Angst, Wut, Verzweiflung, Langeweile, Ekel und Glück empfinden können. Und wenn ein Artgenosse stirbt, zeigen sie Trauer.
Der australische Schafzüchter Ben Jackson muss das alles gewusst haben, als er seine Herde in Herzform antreten ließ. Jackson konnte wegen des Lockdowns in New South Wales nicht an der Beerdigung seiner Tante in Brisbane teilnehmen. Die Idee für ein überdimensionales Schafsherz hatte er, als er seine Schützlinge mit Extra-Futter verwöhnte, weil viele der Muttertiere trächtig waren.
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Das grafische Kunststück klappte nicht auf Anhieb, die Tiere mähanderten unförmig über die Wiese. "Das erste Mal sah es aus wie ein Scheiße-Emoji", berichtet Jackson im Guardian. Im vierten Anlauf formierte sich die Herde dann zu einem perfekten Herz-Symbol. Der Schafzüchter hatte die Tiere mit Hilfe von Leckerli trainiert, auf zwei von ihm angelegten Pfaden zu laufen. Er filmte die Szene mit einer Drohne, legte "Bridge over troubled water" von Simon and Garfunkel darüber und schickte das Video an seine Verwandten, die es bei der Beerdigung vorführten.
Am Ende dieses rührenden Schaffensprozesses muss man konstatieren: Schafe sind nicht nur schlau, sie sind auch perfekte Überbringer emotionaler Botschaften.