S-Bahn Berlin:Stillstand in der Hauptstadt

Lesezeit: 2 min

Die Deutsche Bahn in der Kritik: In Berlin verschwinden ab Montag 70 Prozent der S-Bahnen in der Werkstatt - schon jetzt ist das Chaos im Nahverkehr groß.

Constanze von Bullion und Michael Bauchmüller

Die Schulferien haben begonnen in Berlin, und es sieht ganz so aus, als sei es höchste Zeit, die Stadt zu verlassen. Denn Berlin ist vom Verkehrsinfarkt bedroht. Nach wochenlangem Chaos im öffentlichen Nahverkehr, massiven Zugausfällen und indischen Zuständen in übervollen S-Bahnen soll jetzt alles noch schlimmer kommen. Am Donnerstag entschied das Eisenbahnbundesamt, dass noch weitere S-Bahnen aus dem Verkehr gezogen und auf technische Mängel überprüft werden müssen.

Schon jetzt ist das Gedränge groß: Ab Montag fallen 70 Prozent der Berlinen S-Bahnen wegen Wartungsarbeiten aus. (Foto: Foto: Reuters)

Weil am 1. Mai eine Berliner S-Bahn entgleist ist, werden derzeit Räder und Achsen von Hunderten von Wagen der Baureihe 481/482 überprüft. Das führt dazu, dass S-Bahnen in Berlin nur noch im 20-Minuten-Takt fahren und manche gar nicht. Nun fordert das Eisenbahnbundesamt zusätzliche "Rissfreiheitsprüfungen" an Radsatzwellen und Ultraschalluntersuchung, die teilweise sofort, spätestens ab 1. August durchzuführen sind. Dazu kommt, dass die Räder der S-Bahnen noch schneller ausgetauscht werden müssen, als bislang geplant.

Ein großer Teil der Züge muss bis zum 10. August auf neuen Rädern rollen, sonst werden sie vorübergehend stillgelegt. Hintergrund sind neue Festigkeitsberechnungen der Eisenbahn-Aufseher, die festgestellt haben, dass die Räder noch weniger solide sind, als befürchtet. Sicherheit geht vor, heißt es jetzt bei der Berliner S-Bahn. "Aber natürlich macht das keiner gerne, einfach die Wagen aus dem Verkehr ziehen."

Das Szenario, das Berlin ab Montag erwartet, sieht nach Angaben der Bahn etwa so aus: 70 Prozent der S-Bahnen werden ausfallen, weil sie in die Werkstatt müssen. Nur auf dem Stadtring werden noch im 10-Minuten-Takt S-Bahnen fahren. Wer in die Innenstadt will, muss zwischen Bahnhof Zoo und Ostbahnhof auf Regionalzüge umsteigen, auf der Nord-Süd-Strecke fahren nur noch viermal die Stunde Züge. Die Deutsche Bahn, der die S-Bahn gehört, verhandelt seit Tagen mit den Berliner Verkehrsbetrieben, ob sie mit U-Bahnen die Ausfälle überbrücken kann. Weil im U-Bahnbetrieb aber der Ferienfahrplan gilt und viele Mitarbeiter Überstunden abbummeln, ist unklar, ob das klappt. Bleiben Reisebusse, die in der City eingesetzt werden sollen. Das aber verstopft Straßen und kostet - zumindest vorübergehend.

Bahnmanager rechnen inzwischen mit Mehrkosten von bis zu 65 Millionen Euro. Allein 25 Millionen Euro muss der Konzern hinlegen, weil S-Bahn-Stammkunden als Entschuldigung eine Monatskarte geschenkt kriegen. Wenn das so weiter geht, droht der Senat, kriegt die Bahn 2017 nicht wieder den Zuschlag für den Berliner Nahverkehr. Auch der S-Bahn-Betriebsrat sorgt für Stimmung und fordert mehr Personal und Werkstätte. Die Bahn dürfe der hoch verschuldeten Berliner S-Bahn keinen so strikten Sparkurs aufzwingen. Und wenn doch? Dann könnten ab 2014 private Anbieter das Geschäft übernehmen.

© SZ vom 17.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: