Tod von Rüdiger Nehberg:Mit Messer und Mundharmonika

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Abenteurer Rüdiger Nehberg an seinem 75. Geburtstag. Nun ist er mit 84 Jahren gestorben. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Rüdiger Nehberg war Inspiration und Vorbild für viele Deutsche mit Fernweh. Nun ist der Abenteurer aus Bielefeld mit 84 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Von Martin Zips

Bielefeld, 1938. Ein dreijähriger Junge namens Rüdiger bricht zu seiner Großmutter auf. Und natürlich verläuft er sich. Erst nach Stunden wird das Kind von der Polizei entdeckt und wieder nach Hause gebracht. "Wenn du so weitermachst, wirst du nicht alt", soll sein Vater einmal zu ihm gesagt haben. So kann nur das Leben eines echten Abenteurers beginnen.

Rüdiger Nehberg, der jetzt mit 84 Jahren im holsteinischen Rausdorf gestorben ist, war ein echter Abenteurer. Eine Figur, wie von Jack London, Karl May oder Jules Verne ersonnen, inspiriert von den Büchern des deutschen Seglers Kuno Steuben. Dessen Erfahrungsbericht "Zu den Goldquellen der Pharaonen" über eine Floßfahrt auf dem Nil im Jahr 1959 inspirierte den gelernten Konditor Nehberg derart, dass er in den Siebzigerjahren selbst dorthin aufbrach. Mal nahm er einen Begleiter mit, den er über eine Zeitungsanzeige kennengelernt hatte, mal einen guten Freund, mal einen Kameramann.

Und es war wirklich immer was los auf Nehbergs Reisen. Stromschnellen, Schlangen, Überfälle, Attacken - niemand konnte davon so schön erzählen wie er. Spätestens nach dem tödlichen Raubüberfall auf seinen Kameramann am Blauen Nil im Jahr 1975 kannte ganz Deutschland diesen Bielefelder. Ein paar Kriminelle hatten Nehbergs Freund von hinten in den Kopf geschossen, die deutsche Boulevardpresse berichtete.

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Seine Popularität nutzte Nehberg, indem er sich zusammen mit seiner Frau Annette Weber für bedrohte Völker einsetzte, zum Beispiel für die Yanomami in Südamerika. Oder über seine im Jahr 2000 gegründete Menschenrechtsorganisation "Target" gegen weibliche Genitalverstümmelung. Sogar eine Fatwa erreichte er bei einem hochrangigen islamischen Gelehrten und ließ sie in arabischen Ländern gedruckt verteilen.

Geschichten aus der "Welt der Torten und der Torturen"

Der ehemalige Marzipanbäcker Nehberg wusste aber auch, mit welchen Geschichten aus der "Welt der Torten und der Torturen" er die Medien füttern musste, damit die sich weiter für ihn und seine Anliegen interessierten. Schon als 17-Jähriger war er mit dem Fahrrad nach Marokko aufgebrochen - seine Eltern wähnten ihn in Paris. Im Jahr 1981 wanderte er recht publikumswirksam von Hamburg nach Oberstdorf und soll sich unter anderem von einem überfahrenen Eichhörnchen ernährt haben.

Später durchquerte er Südafrika, den brasilianischen Urwald (nur mit Messer und Mundharmonika bewaffnet), fuhr mit dem Tretboot oder in einem uralten Baumstamm über den Atlantik oder nahm (mittlerweile nannte man ihn "Sir Vival", auch "Würmerfresser") 1989 als Studioexperte an einer Art frühem Dschungelcamp des Schweizer Fernsehens teil. Da war ihm Bielefeld längst zu klein geworden. Das Marzipan hatte er gegen die Moskitos ausgetauscht.

Seine Bücher tragen Titel wie "Voll peinlich! Erlebte Geschichten" oder "Let's fetz: Heute beginnt der Rest des Lebens" und weckten Fernweh. Insofern war der Überlebenskünstler und Philanthrop Rüdiger Nehberg für viele junge Leute genau das, was für ihn der Autor Kuno Steuben war: Inspiration und Vorbild zugleich. Nur dass spätere Generationen ihren Weg um die Welt meist nicht mehr auf Flößen oder in Tretbooten antraten (und wenn, dann unterstützt von einem Energydrink-Konzern), sondern eher in Charterflugzeugen, Reisebussen oder auf Kreuzfahrtschiffen. Alles hat eben seine Zeit.

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