Riesiger Lottogewinn:"Glück ist ein Bewusstseinszustand, den man nicht kaufen kann"

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Umgerechnet 1,375 Milliarden Euro hat ein (bzw. haben eventuell zusammen auch mehrere) Lottogewinner im US-Bundesstaat South Carolina gewonnen. Wer sich das nur schwer vorstellen kann: Es ist eine Zahl mit zehn Stellen. (Foto: N/A)

In den USA hat jemand umgerechnet fast 1,4 Milliarden Euro im Lotto gewonnen. Finanzcoach Nicole Rupp erklärt, was im Hirn passiert, wenn man plötzlich zu den Superreichen gehört.

Interview von Violetta Simon

Es ist nur der zweitgrößte Lotto-Jackpot der US-Geschichte, vor zwei Jahren waren es noch etliche Millionen mehr, doch das dürfte dem oder den Tippern im Bundesstaat South Carolina egal sein, die in dieser Woche die Zahlen 5, 28, 62, 65, 70 und die Zusatzzahl 5 auswählen. Mit zwei US-Dollar Einsatz erzielen sie einen Gewinn von 1,537 Milliarden Dollar, umgerechnet 1,375 Milliarden Euro, eine Zahl mit zehn Stellen. Doch was macht man mit einer so absurd hohen Summe Geld, die einen von heute auf morgen in die Liga der Superreichen katapultiert? Und was macht so viel Geld mit einem? Ein Gespräch mit Finanzcoach Nicole Rupp, die Menschen unterstützt, ihre schwierige Beziehung zum Geld zu klären.

SZ: 1,375 Milliarden Euro - kann man so eine Summe überhaupt geistig erfassen?

Nicole Rupp: Nicht wirklich. Alles, was über gewohnte Geldströme hinausgeht, ist schwer zu begreifen. Immense Summen wie diese entziehen sich erst einmal dem Verstand.

Was empfindet jemand im ersten Moment , wenn er erfährt, dass er reich ist?

Freude und Ungläubigkeit. Wer innerlich auf Reichtum vorbereitet ist, etwa beim Erben, freut sich besonders. Andere können es nicht einmal dann glauben, wenn das Geld bereits auf dem Konto ist. Viele erleben ein Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit, weil plötzlich die Frage im Raum steht: Was mache ich denn jetzt mit all dem Geld?

Gute Frage: Was machen die meisten Leute damit?

Erst einmal werden praktische Dinge abgehakt - viele haben typische Anschaffungen auf dem Schirm, auf die sie lange sparen müssten. Doch die Erkenntnis, dass sie sich das jetzt alles auf einen Schlag leisten können, wirft sie häufig aus der Bahn: Was, wenn die anderen merken, dass ich plötzlich reich bin?

Dann wäre die näherliegende Frage also eher: Was macht so viel Geld mit einem?

Das ist unterschiedlich. Manche leiden unter Verlustängsten, sobald sich Erfolg oder Geld einstellt, sie sind überzeugt, dass sie einen Preis dafür zahlen müssen. Dahinter steht häufig die Überzeugung, dass uns nichts bedingungslos zusteht. Andere erleben menschliche Enttäuschungen im Zusammenhang mit dem Geldsegen, die zu verarbeiten erfordert Zeit, das kann deprimieren. Viele fragen sich, ob sie es überhaupt jemandem verraten sollen, selbst der Familie. Sagt man es, wird man ständig angepumpt. Sagt man es nicht, fühlt man sich ausgeschlossen und hat ein schlechtes Gewissen. Die anderen merken ja, dass man sich verändert. Nicht selten stellt sich ein Gefühl der Desillusionierung ein, weil man erhofft hatte, mit dem Geld komme das Glück. Es ist ein Trugschluss zu glauben, wer Geld hat, muss weniger Angst haben. Denn von nun an hat man auch viel zu verlieren.

Klingt anstrengend. Und beinahe abschreckend.

Man darf nicht vergessen, dass der Durchschnittsmensch nicht darauf vorbereitet ist, über Nacht Milliardär zu werden. Wer in eine Unternehmerfamilie hineingeboren wird, bekommt von Anfang an die entsprechenden Ratschläge an die Hand, er lernt von der Pike auf, mit Geld umzugehen. Wer da nicht reingewachsen ist, läuft Gefahr, das zu versemmeln. Jeder windige Aufschneider, der sagt, "jetzt musst du groß denken!", kann einem etwas verkaufen. Jeder Nachbar, jeder Freund, der anfragt, kriegt etwas ab vom Gewinn. Weil Reichtum bei vielen mit Schuld und Scham besetzt ist. Bis manche begriffen haben, wie sie damit umgehen sollen, haben sie es bereits verplempert. Manche "befreien" sich gleich wieder davon, indem sie es verprassen oder verspielen.

Wie kann man das verhindern?

Nicht gleich dem Geldstrom folgen! Das Wichtigste ist, bei sich zu bleiben und zu schauen, was zu einem passt. Nicht jeder ist für Immobilien gemacht, man muss nicht jedem Trend und jeder Aktie, die gerade angesagt ist, hinterherlaufen. Bevor man irgendwelche Entscheidungen trifft und Finanzberater aufsucht, sollte man sich lieber jemanden suchen, der einen bei der Persönlichkeitsentwicklung unterstützt und von Angst, Schuld und Scham befreit. Sonst nützt einem auch das viele Geld nichts - und man verliert schnell die Lust am Herumreisen und Einkaufen. Es gibt da diese Zweijahresgrenze. Wenn man es bis dahin geschafft hat, ist man so reingewachsen, dass man sein Geld genießen und sinnvoll einsetzen kann.

Nicole Rupp, 46, ist Diplombetriebswirtin und Finanzcoach in München. Sie wuchs in einer Metzgerei auf und hat laut eigener Aussage früh gelernt, dass man hart für Geld arbeiten muss. Heute hält sie Vorträge zum Tabuthema Geld. (Foto: Constanze Wild)

Beeinflusst Geld eigentlich den Charakter?

Umgekehrt. Der Mensch bleibt ja der, der er ist. Glück ist ein Bewusstseinszustand, den man sich nicht kaufen kann, daher ist es nicht von Geld abhängig, sondern von der Einstellung. Je glücklicher ich bereits bin, desto glücklicher kann ich durch Geld werden und ein glückliches Händchen beweisen.

Kann Geld - wenn man es richtig einsetzt - glücklich machen?

Auf jeden Fall. Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit einer bestimmten Summe Einfluss nehmen auf unser Bildungssystem oder den Naturschutz. Und das quasi über Nacht, während die Politiker seit vielen Jahren nach Lösungen suchen. Jeder will Liebe und Anerkennung, und die bekommt man damit. Es ist beflügelnd, zu erkennen: Wow, das habe ich erschaffen.

Was würden Sie mit 1,4 Milliarden Euro machen?

Ich würde das Geld investieren, um weltweit Unternehmen und Projekte zu unterstützen, die Menschen und der Natur dienen. Einen Wert erschaffen, von dem die Nachwelt profitieren kann. Ich wollte schon immer ein Stück Land in Costa Rica kaufen, nicht wegen des Besitzes, sondern weil mich das als Mensch mit fördert. Und Urlaub machen könnte ich dann dort ja auch.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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