Nach vierwöchiger Pause, die sich Jörg Kachelmann für einen Besuch bei seinen in Kanada lebenden Kindern erbeten hatte, erschien der Wettermoderator am Montag wieder vor dem Mannheimer Landgericht. Nach acht Monaten geht der Prozess gegen den 52-Jährigen nun allem Anschein nach in seine letzte Phase.
Die Zeugenliste ist abgearbeitet, die Reihen der Sachverständigen haben sich erfreulich gelichtet. Am Montag erstattete die Bremer Psychologin Luise Greuel ihr Gutachten, nun warten nur noch die beiden Psychiater Hartmut Pleines und Günter Köhnken auf ihren Auftritt. Als Termin für die Urteilsverkündung hat das Gericht den 27. Mai ins Auge gefasst. Der beisitzende Richter Joachim Bock beteuerte den festen Willen des Gerichts, diesen Termin einzuhalten, auch Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn ließ erkennen, dass er keine Absicht hege, den Zeitplan zu torpedieren.
Wie so oft in diesem Prozess musste das Publikum während des Vortrags der Sachverständigen Greuel den Saal verlassen, was aber nicht allzu schwer ins Gewicht fällt, weil die wesentlichen Aussagen des Gutachtens schon lange vor Prozessbeginn in den Medien kolportiert wurden. Die Bremer Professorin ist Verfasserin eines Standardwerks über die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. Sie hat viele Stunden lang mit Claudia D. gesprochen, der Frau, die Kachelmann beschuldigt, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt, nachdem sie ihn damit konfrontiert hatte, dass er Beziehungen mit anderen Frauen unterhalte.
Crash-Kurs in Aussagepsychologie
In ihrem vorläufigen, schriftlichen Gutachten kam Greuel zu dem Ergebnis, dass es aus psychologischer Sicht keinen Beweis dafür gebe, dass Claudia D.s Aussagen auf einem tatsächlichen Geschehen beruhen. Es gebe Mängel in der Detailliertheit und in der logischen Konsistenz der Aussage; einiges von dem, was das mutmaßliche Opfer erzählte, könne sich so nicht abgespielt haben.
Inzwischen hat Claudia D. allerdings 20 Stunden lang vor Gericht ausgesagt, ob sich die Einschätzung der Sachverständigen dadurch verändert hat, erfuhr das Publikum nicht. Allerdings gab Luise Greuel noch in öffentlicher Sitzung einen Crash-Kurs in Aussagepsychologie, der den Zuhörern auch ein Bild von den Grenzen dieser Disziplin vermittelte. Glaubwürdigkeit, sagte die Sachverständige, habe nichts mit Wahrheitsliebe und moralischer Integrität zu tun. "Wir stellen nur die Frage, ob ein Zeuge die Unwahrheit sagen könnte".
Sie könne keine Aussage treffen, ob etwas tatsächlich stattgefunden habe oder nicht: "Ein Glaubwürdigkeitsgutachten ist keine Lügendetektion." Es gebe viele Umstände, die eine Aussage verfälschen könnten - vom einfachen Irrtum über die "komplette Scheinerinnerung" bis hin zur vorsätzlichen Falschaussage.
Gedächtnislücken könnten nachträglich aufgefüllt werden, sodass der Zeuge überzeugt sei, es mit einer echten Erinnerung zu tun zu haben. "Aber wir können nicht feststellen, ob das wirklich der Fall ist",sagte Greuel. "Wir können nur nach Risikofaktoren fragen."