Kiel/Lübeck (dpa/lno) - Zum Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs seines achtjährigen Sohnes an einen Lübecker Staatsanwalt steht die erwartete Anklage der Staatsanwaltschaft Kiel noch aus. Die Akten seien noch beim Verteidiger, sagte Oberstaatsanwalt Axel Bieler am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Sobald sie zurück seien, gehe er von einer zügigen Anklageerhebung aus. Zu einem Bericht des „Spiegel“, wonach das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) der Staatsanwaltschaft „offenbar schwerwiegende Fehleinschätzungen attestiert“ habe, wollte sich Bieler nicht äußern.
Der Staatsanwalt selbst hatte den Fall 2019 angezeigt. Die Ermittlungen ergaben laut Staatsanwaltschaft, dass er Schlafwandler ist. Er habe angegeben, sich an nichts zu erinnern. Das habe ein Gutachter überprüft. Demnach sei es möglich, als Schlafwandler auch sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dann wäre der Mann im rechtlichen Sinne unschuldig.
Die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft hatten eine Verurteilung als nicht wahrscheinlich angesehen. Nach einem erfolgreichen Klageerzwingungsverfahren am Oberlandesgericht muss die Staatsanwaltschaft nun aber doch Anklage erheben.
Das OLG halte das besagte Gutachten für in entscheidenden Fragen spekulativ und insgesamt wenig tragfähig, schrieb der „Spiegel“ unter Berufung auf den Anwalt des Kindes. Nach Ansicht des OLG spreche viel dafür, dass die Zweifel an der Schuldfähigkeit des Vaters in einem Prozess ausgeräumt werden könnten.
Offenkundig habe die Staatsanwaltschaft zunächst das Verfahren eingestellt, weil sie meinte, eine strafbare Handlung nicht beweisen zu können, sagte OLG-Sprecher Simon Starke der Deutschen Presse-Agentur. „Das hat der Erste Strafsenat offenbar anders gesehen.“
Die Mutter des Kindes hatte prüfen lassen, ob die Einstellung des Verfahrens richtig war. Über eine Eröffnung des Hauptverfahrens muss nach einer Anklageerhebung das Lübecker Landgericht entscheiden.
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