Prozess:Ein Hacker verstrickt sich in Widersprüche

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Die Angeklagten verbergen ihre Gesichter hinter Aktenordnern. Den Angeklagten im Alter von 40 bis 62 Jahren wird insbesondere zur Last gelegt, die kinderpornographische Plattform Elysium im sogenannten Darknet und sexuellen Missbrauch betrieben zu haben. (Foto: Thomas Frey/dpa)
  • Zweiter Prozesstag in Limburg: Joachim P., Michael G., Bernd M. und Frank M. sollen "Elysium" gesteuert haben, eines der größten Kinderporno-Netzwerke, die weltweit je entdeckt wurden.
  • Vor dem Landgericht sagt M. als erster aus - und geriert sich als Privatermittler, der doch eigentlich nur die Pädophilenszene im Netz habe ausforschen wollen.
  • Am kommenden Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

Von Jan Willmroth, Limburg

Am Ende verliest Joachim P. eine Erklärung. Ihm tue alles leid und er wolle zur nächsten Gelegenheit zu allen Fragen etwas sagen, lässt er wissen, bevor der Richter die Sitzung schließt. Er habe sich Kindern nie genähert, sagt P., nie selbst Menschen geschadet, nur die technische Plattform bereitgestellt. Am zweiten Prozesstag tragen alle vier Angeklagten dieselbe Kleidung wie vor drei Wochen, als sie sich hier im Limburger Landgericht zum ersten Mal im realen Leben sahen. Joachim P., Michael G., Bernd M. und Frank M., zwischen 40 und 62 Jahre alt, sollen "Elysium" gesteuert haben, eines der größten Kinderporno-Netzwerke, die weltweit je entdeckt wurden.

Am Mittwoch würden die Ersten von ihnen etwas zu den Vorwürfen sagen, hatte der Vorsitzende Richter Marco Schneider angekündigt. Man würde erstmals die Angeklagten selbst hören. Die vier Männer, die sich laut Anklageschrift zu einer "Bande" verbunden hatten, um kinderpornografisches Material zugänglich zu machen, auf einer Plattform im Darknet. Das ist jener abgeschirmte Teil des Internets, der weitgehend anonymes Surfen ermöglicht und den gerade deshalb auch Pädophile nutzen, um ihre Neigung auszuleben.

Als die Ermittler "Elysium" abschalteten, zählten sie fast 112 000 Nutzerkonten auf der ganzen Welt

Die Männer sollen die Plattform verwaltet, weiterentwickelt und selbst genutzt haben. Sie sollen Bilder und Videos getauscht und gesammelt haben, die schlimmste sexuelle Vergehen an Kindern und Kleinkindern zeigen. Michael G. habe sich auf der Plattform auch selbst zum Missbrauch zweier Kinder in Wien verabredet und von dem Vergehen Material angefertigt, heißt es in der Anklage.

Als die Ermittler "Elysium" im Sommer 2017 abschalteten und die vier Hauptverdächtigen festnahmen, zählten sie fast 112 000 Nutzerkonten auf der ganzen Welt. Den Server, auf dem das Forum und der Chatbereich liefen, fanden sie in einer Autowerkstatt in Bad Camberg. Sie gehörte Frank M., 40 Jahre alt, aus dem Landkreis Limburg-Weilburg, Vater zweier Kinder, viele Jahre verheiratet. Seit dem 20. Juni vergangenen Jahres sitzt er in Untersuchungshaft. Am Mittwoch vor dem Landgericht sagt M. als Erster aus - und geriert sich als Privatermittler, der doch eigentlich nur die Pädophilenszene im Netz habe ausforschen wollen, unter seinem Pseudonym "Berndinihr" und mehreren weiteren Nutzernamen.

Er sitzt auf der Anklagebank, grau melierter Kapuzenpullover, nach vorn gebeugt und die Ellbogen auf den Knien abgestützt, das Haar schütter, die Stirn in Falten. Sein Anwalt verliest eine Erklärung, die im Wesentlichen enthält, was M. auch den Ermittlern des Bundeskriminalamtes erzählt hat: Er sei einst Teil der Hackerszene gewesen, habe schon immer ein starkes Interesse an Technik gehabt und sich deswegen auch gern im Darknet bewegt, "unentdeckt von der Polizei". Eines Tages habe er den jetzt mitangeklagten Joachim P. kennengelernt, der später als Hauptadministrator von "Elysium" fungierte. Man habe sich aber nur über Technisches ausgetauscht. Dann, es war Dezember im Jahr 2016, sagte er zu, den Server für "Elysium" einzurichten. In der Vorweihnachtszeit ging die Plattform online.

Warum dauerte es bis Juni, als M. vom BKA überrascht wurde?

Sie war der Nachfolger eines riesigen Kinderporno-Forums namens "The Giftbox Exchange", in dem sich die Angeklagten zuvor begegnet waren, im Schutz der Anonymität ihrer Darknet-Namen. Im Frühjahr 2016 ließ die australische Polizei die Plattform auffliegen - woraufhin über Joachim P. eine Sicherungskopie der Seite zu Frank M. kam, als Grundlage für "Elysium". Warum ging er nicht gleich zur Polizei, wenn er sich doch als Privatermittler betätigen wollte? Warum dauerte es bis Juni, als M. vom BKA überrascht wurde? Warum lud er Material hoch, wo er doch nur ermitteln wollte? M. sucht Ausflüchte, verstrickt sich in Widersprüche. "Beim Verlesen Ihrer Einlassung war die Stimmung ganz gut auf der Anklagebank", sagt Richter Schneider. "Das hat zu einiger Belustigung geführt." Auch die Staatsanwältin.

Julia Bussweiler, die auf der anderen Seite des Saals sitzt, lässt sich anmerken, wie lächerlich sie angesichts der Beweislage die Verteidigungsstrategie von M. findet. Wie habe er sich das denn vorgestellt: den Ermittlern den Server zu übergeben, mit Daten von lauter anonymen Accounts? Was hätten sie damit anfangen sollen? Warum hat er selbst solche Dateien gespeichert? M. kann darauf keine schlüssige Antwort liefern.

Stattdessen wird der Angeklagte Bernd M. gehört. Er war vor allem als Moderator auf "Elysium" aktiv, hatte mehr als 500 kinderpornografische Bilder und Videos auf dem Rechner - und sitzt, wie er sagt, nur deshalb hier, weil alles ziemlich dumm gelaufen sei, wiewohl auch er geständig ist. Am kommenden Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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