Provence:Tote bei Unwetter in Südfrankreich

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Spur der Verwüstung: Das Unwetter stapelte Autos übereinander, entwurzelte Bäume und unterspülte Straßen. (Foto: Sebastien Nogier/dpa)

Binnen zweieinhalb Stunden fällt in einigen Gegenden der Provence so viel Regen wie sonst in zwei bis drei Monaten.

Von Christian Wernicke

ParisDie Natur lügt. Am Tag nach der Katastrophe ist der Himmel wieder blau und heiter über der Côte d'Azur. Ein lauer Herbstwind umweht die Menschen. Unten am Boden jedoch bietet sich ein Bild der Verwüstung. Aufgetürmte Autos, überschwemmte Straßen, mitgerissene Campingzelte. Und überall ein brauner, stinkender Schlamm. Heftiger Regen hatten am Samstagabend einen 30 Kilometer breiten Küstenstreifen ins Chaos gestürzt.

Bäche und Sträßlein verwandelten sich binnen Minuten in wilde Ströme, die Wassermassen rissen alles mit sich. Mindestens 16 Menschen kamen in den Fluten ums Leben, vier wurden auch 24 Stunden nach den Wolkenbrüchen noch vermisst. Rettungskräfte äußerten wenig Hoffnung, die Vermissten lebend bergen zu können. Präsident François Hollande, der das Notstandsgebiet am Sonntag bereiste und sich über das Ausmaß der Katastrophe informierte, versprach "die Hilfe der Nation".

Binnen zweieinhalb Stunden waren am Samstag Regenmengen niedergegangen, wie sie nach Angaben von Meteorologen sonst in zwei bis drei Herbstmonaten fallen. Einige der Opfer wurden im Schlaf überrascht. In Biot nördlich von Antibes beobachteten hilflose Zeugen, wie eine etwa zwei Meter hohe Flutwelle in ein Altersheim schoss: drei Bewohner ertranken. In Cannes starben zwei Menschen, die das Wasser mitriss. Der Boulevard de la République, eine zentrale Ladenstraße des Mittelmeer-Städtchens, gleicht am Sonntag einem Trümmerfeld. Der Asphalt ist aufgesprengt, das Heck eines Kleinwagens ragt gen Himmel, nachdem das Wasser das Fahrzeug auf eine meterhohe Parksperre gewuchtet hatte. Die Besitzerin eines kleinen Supermarkts watete zwischen umgestürzten Regalen durch eine trübe Brühe. "Der Wasserdruck von der Straße war so hoch, dass die Flut aus dem Laden hinauf durchs Treppenhaus bis in die erste Etage stieg", sagt die Geschäftsfrau dem Fernsehersender i-tele. "Alles ist hin."

Ein benachbarter Restaurantbesitzer erwägt nun, die Côte d'Azur wieder zu verlassen: "Es war schrecklich. Ganz ehrlich, ich glaub', ich geh zurück nach Paris." Die ganze Nacht über waren Sanitäter, Zivilschützer und Feuerwehr unterwegs. Bei Antibes mussten Nothelfer verzweifelte Camper mit Hubschraubern von den Dächern umgestürzter Wohnmobile evakuieren. Im aufgeweichten Boden wurden Bäume entwurzelt, im Hinterland wie auch an Nizzas Uferstraße Promenade des Anglais.

Noch am Sonntagabend waren 21 000 Menschen ohne Strom. Die Bahn stoppte ihre Züge, da vielerorts die Gleise unterspült waren. Die wichtige Ost-West-Verbindung zwischen Nizza und Toulon blieb bis zum Sonntagabend gesperrt. In die Berichte erschöpfter Helfer mischte sich Kritik am Verhalten mancher Opfer. In Golfe-Juan ertranken drei Menschen, die mit ihrem Auto einen überfluteten Tunnel durchqueren wollten. Im Badeort Mandelieu-la-Napoule musste die Feuerwehr sieben Leichen aus zwei Tiefgaragen bergen: Die Bewohner waren vom steigenden Wasser überrascht worden, als sie versuchten, ihre Autos zu retten.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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