Die dreitägige Fachtagung begann am Mittwoch mit einem offenen Politik-Tag, bei dem von den Argumenten für das neue Gesetz so gut wie nichts zu hören war. Selbstbestätigung war das Ziel. Es sollte auch mal um die saubere Seite der Sexarbeit abseits von Armutsprostitution, Menschenhandel und Drogenproblematik gehen. Zu Wort kamen selbstbestimmte Dienstleisterinnen, die Sex nicht zur Befriedigung niedriger Begierden anbieten, sondern als vielfältige kulturelle Handlung.
Zwei freischaffende Sexarbeiterinnen beschrieben ihren Einstieg in die Prostitution als Akt der Befreiung von Konventionen und verbindlichen Liebesbeziehungen. "Es war mir wichtig, dass sich meine Sexpartner nicht mehr in mein Leben einmischen können", sagte die eine, die sich Charly Escort nannte. Am Abend wurde die Dokumentation "Sexarbeiterin" über den ruhigen Alltag der Intim-Masseurin und Fesselspielerin Lena Morgenroth gezeigt.
Für Freunde anzüglicher Klischees war die Veranstaltung nichts. Im Publikum befanden sich erfahrene und jüngere Sex-Lieferanten sämtlicher Geschlechter sowie einige bekennende Freier. Kunstperücken? Verhuschte Existenzen? Null. Die Atmosphäre war entspannt, allenfalls etwas klassenkämpferisch. Von der Sozialarbeiterin Simone Wiegratz aus der Beratungsstelle Hydra bis zur Datenschützerin Bärbel Heide Uhl vom Koordinierungskreis gegen Menschenhandel waren alle einer Meinung: Das Gesetz taugt nichts. Es schädige den Einzelsex-Handel, bedrohe das Vertrauensverhältnis zu den Beratungsstellen, treibe Prostituierte in die Illegalität.
"Für uns ist Anonymität der Schutz in der Gesellschaft", sagt die Sex-Arbeiterin
Die Branche fürchtet vor allem die Meldepflicht, weil sie ein zu schlecht geschütztes Bekenntnis zu einem Beruf verlange, den viele nicht akzeptieren. "Für uns ist Anonymität der Schutz in der Gesellschaft", sagt Tanja Sommer. Das Ressentiment der Verklemmten kann Familien belasten und zweite Karrieren erschweren. "Haben Sie schon mal versucht, als Sexarbeiterin eine Wohnung zu finden?", fragt Tanja Sommer. Und Maria Wersig vom Deutschen Juristinnen-Bund gibt ihr recht. Sie sagt: "Bei der Anmeldepflicht geht es nicht um Schutz. Es geht um Kontrolle."
Aber kann Kontrolle nicht auch Schutz bedeuten? Vor allem für jene, die doch einen finsteren Zuhälter im Nacken haben? Man wolle nicht jene gängeln, die mit Freude ihrer Sexarbeit nachgehen, sagt Jutta Bieringer, Sprecherin des Familienministeriums, "aber wir wissen auch, dass sich viele andere nicht wirklich freiwillig prostituieren, sondern in einer Notsituation sind".
Wieder auf der anderen Seite: Käme es zu der Not überhaupt, wenn die Gesellschaft mehr Achtung vor dem Berufsfeld Sexarbeit hätte? Die Juristin Maria Wersig sagt jedenfalls im ruhigen Ton der Nachdenklichen: "Man schützt die Leute dadurch, dass man sie starkmacht."