Pistorius-Prozess in Pretoria:Tränen am Ende des Kreuzverhörs

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Fast fünf Stunden lang versucht der Anwalt von Oscar Pistorius, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel zu ziehen: Eine Nachbarin soll Auskunft geben, was am 14. Febrauar 2013 im Haus des Sportlers geschah. Am Ende bricht sie in Tränen aus, bleibt aber bei ihrer Version - und sie ist nicht die Einzige, die den Angeklagten belastet.

Insgesamt fast fünf Stunden dauert das Kreuzverhör, dem Michell Burger ausgesetzt ist. Zwei Stunden am Montag und noch einmal fast drei Stunden am Dienstag muss sie erzählen, was sie gehört hat, in jener Nacht vom 13. auf den 14. Februar 2013. Es ist die Nacht, in der Reeva Steenkamp von vier Kugeln aus der Waffe ihres Freundes Oscar Pistorius getroffen und getötet wird, so viel steht zweifelsfrei fest. Ob Pistorius dabei vorsätzlich gehandelt hat oder ob die Schüsse ein tragischer Unfall sind, weil der Sportler einen Einbrecher im Haus wähnte, das soll der auf drei Wochen angesetzte Prozess klären.

Burger ist die wichtigste Zeugin der Anklage. Die Universitätsprofessorin wohnt nur 170 Meter von Pistorius' Haus entfernt. Die Strategie seines Anwalts Barry Roux ist klar: Er will ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Deshalb stellt er dieselben Fragen, wieder und wieder. Deshalb sucht er nach Widersprüchen zwischen Burgers Aussagen bei der Polizei und vor Gericht. Am Ende ist die Zeugin derart mit den Nerven am Ende, dass sie in Tränen ausbricht.

Zuvor hat sie auch auf mehrmaliges intensives Nachhaken des Anwalts hin auf ihrer Version beharrt: Sie habe gegen drei Uhr nachts erst einen Mann schreien gehört, dann eine Frau. Der Schrei der Frau sei sehr verzweifelt gewesen, so als wenn jemand um sein Leben schreie.

Chronologie zum Fall Oscar Pistorius
:18 Monate Wahrheitsfindung

Am Abend des 13. Februar 2013 kommt Reeva Steenkamp zu ihrem Freund Oscar Pistorius nach Hause - dann fallen vier Schüsse. Eineinhalb Jahre später neigt sich der Mordprozess gegen den Athleten dem Ende zu. Ihm drohen bis zu 25 Jahre Gefängnis. Eine Chronologie.

"Die Ereignisse dieses Abends sind extrem traumatisierend für mich. Die Angst in der Stimme dieser Frau ist schwierig vor Gericht zu beschreiben. Ich habe die Panik in der Stimme dieser Frau gehört", sagte Burger. Im Anschluss daran seien vier Schüsse gefallen. "Ich weiß, wie sich ein Pistolenschuss mitten in der Nacht anhört", sagte die Nachbarin. Es sei eine ruhige Sommernacht gewesen, in der alle Fenster offen gestanden hätten.

Die Schreie und die vier Schüsse, die Burger in jener Nacht gehört haben will, sind der wichtigste Ansatzpunkt des Anwalts. In welcher Reihenfolge Schreie und Schüsse aufeinander folgten und wer geschrien hat, ist für den Prozess entscheidend.

Roux sucht auch beim Ehemann der Zeugin nach Widersprüchen

Ging den Schüssen ein Streit zwischen Pistorius und Steenkamp voraus und hat Steenkamp dabei geschrien, dann spricht das dafür, dass Pistorius möglicherweise in Folge dieses Streits und damit in Tötungsabsicht geschossen hat. Wenn die Schreie zeitlich nach den Schüssen kamen oder Pistorius geschrien hat, dann stützt das Pistorius' Version, der behauptet, seine Freundin versehentlich erschossen zu haben, weil er sie für einen Einbrecher hielt.

Roux bezweifelt, dass Burger zweifelsfrei die Schreie einer Frau gehört hat. "Wenn Herr Pistorius sehr große Angst hat, klingen seine Schreie wie die einer Frau", sagte der Anwalt.

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Von Lena Jakat

Pistorius, dem im Falle eines Schuldspruches eine Haftstrafe von 25 Jahren droht, hatte sich zur Prozesseröffnung am Montag in allen Anklagepunkten für "nicht schuldig" erklärt. Die Anklage wirft ihm neben der "vorsätzlichen Tötung" seiner Freundin auch das Tragen und den Einsatz verbotener Waffen vor.

Zwischenzeitlich unterbrach die Richterin den Prozess, weil ein südafrikanischer TV-Sender ein Foto der Zeugin im Fernsehen gezeigt hatte, was nicht erlaubt ist. Am Mittag wurde dann eine weitere Nachbarin befragt, Estelle van der Merwe. Auch sie belastete Pistorius und stellte seine Darstellung der Ereignisse in der Tatnacht grundsätzlich infrage. Sie habe zuerst einen Streit und dann Schüsse gehört.

Dritter Zeuge am Dienstag ist schließlich Burgers Ehemann. Auch ihm dürfte eine längere Befragung bevorstehen. Schon am Vormittag hatte Roux auf Widersprüche in den Aussagen der beiden Eheleute hingewiesen. So habe Burgers Ehemann von fünf oder sechs Schüssen berichtet. Die angeblichen Schüsse, so der Anwalt, seien möglicherweise der Lärm gewesen, als Pistorius mit einem Cricketschläger seine Badezimmertür zertrümmert habe, nachdem ihm klar geworden sei, dass Steenkamp dahinter war.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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