Die juristische Aufarbeitung einer Mordserie an Krankenhauspatienten weitet sich auf die Vorgesetzten des Täters aus: Zwei damalige Oberärzte und der Stationsleiter sollen nicht eingeschritten sein, als der Krankenpfleger Niels H. zwischen dem 22. Mai und dem 24. Juni 2005 Patienten mit einem Herzmedikament in reanimationspflichtigen Zustand brachte, um sich bei der anschließenden Wiederbelebung als Retter zu inszenieren.
Das Landgericht Oldenburg hat am Mittwoch entsprechende Anklagen wegen Totschlags durch Unterlassen zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten die Taten von Niels H. aus Angst um die Reputation der Klinik und vor dem Vorwurf falscher Verdächtigung ignorierten. Drei Morde und zwei Mordversuche hätten demnach in dieser Zeit verhindert werden können.
Niels H. tötete bis zu 200 Patienten in sechs Jahren
Wann das Hauptverfahren gegen die Mediziner und den Stationsleiter vor dem Landgericht beginnt, ist noch offen. Auch ist der Beschluss noch nicht rechtskräftig. Zugleich wies das Landgericht die Anklagen gegen zwei Pflegerinnen und einen Pfleger zurück, weil die Betroffenen sich bemüht hätten, dem inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilten Niels H. Tötungsversuche nachzuweisen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Beschwerde gegen die Abweisung der Klagen einlegt.
Der Krankenpfleger hatte von 1999 bis 2002 im Krankenhaus Oldenburg und anschließend im Klinikum Delmenhorst gearbeitet. Die genaue Zahl seiner Opfer ist unklar, untersucht wurden bis zu 200 Fälle. Eine Kollegin hatte ihn 2005 seiner Taten überführt, als ein Patient in seiner Anwesenheit plötzlich schwere Herzrhythmusstörungen bekam. Sie entnahm eine Blutprobe, in der das Antiarrhythmikum Gilurytmal nachgewiesen wurde - dieser Stoff wurde in den Leichen zahlreicher exhumierter Opfer von Niels H. nachgewiesen. Am Krankenhaus Delmenhorst war, während Niels H. dort arbeitete, der Verbrauch des Präparats binnen eines Jahres um 400 Prozent angestiegen.