Musical:Mamma-Mia-Märchen

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Im Mamma-Mia-Kostüm kam der Durchbruch. Für das Musical "42nd Street" wird Steph Parry bald auf der Bühne stehen. (Foto: Twitter)
  • Jahrelang erhält die Schauspielerin Steph Parry nur Rollen als Zweitbesetzung.
  • Dann verstaucht sich eine der Hauptdarstellerinnen mitten in der Vorstellung von Mamma-Mia den Knöchel.
  • Parry muss spontan für sie einspringen und schafft damit ihren Durchbruch.

Von Cathrin Kahlweit, London

Das Musical "Mamma Mia!" läuft nun seit fast 20 Jahren mit ungebrochenem Erfolg im Londoner West End. Allein im Novello Theatre wurde es 7000 Mal gespielt, nachdem es zuvor an zwei anderen, zumeist ausverkauften Häusern aufgeführt worden war. Weltweit haben mehr als 60 Millionen Menschen in etwa 440 Städten das Musical mit den Songs von Abba gesehen. Es herrscht also globale Mamma-Mia-Mania, wozu der zugehörige Film mit Meryl Streep einiges beigetragen haben dürfte.

Mamma-Mia-Mania herrscht seit ein paar Tagen auch bei Steph Parry, die bislang, von Showgeschäft und Publikum eher unbemerkt, ein Leben als ewige Zweitbesetzung fristete. Zweitbesetzungen sind jene undankbaren Jobs, bei denen man eine Rolle lernt, aber nur zum Einsatz kommt, wenn der Darsteller krank oder verhindert ist.

Vergangene Woche wartete Parry also in den Kulissen des Theatre Royal Drury, wo derzeit mit großem Erfolg das Musical "42nd Street" aufgeführt wird, auf einen Einsatz, als das Telefon klingelte und das geschah, wovon jede erfolglose Schauspielerin träumt: die eine, ganz große Chance im Leben. In der Leitung war die panische Intendanz des Novello Theatre, wo sich die Darstellerin der Donna Sheridan (im Film dargestellt von Meryl Streep) den Knöchel verstaucht hatte - mitten in der Vorstellung, vor ausverkauftem Haus. Ob sie einspringen könne, jetzt sofort, man habe herausgefunden, dass sie die Donna Sheridan drauf habe?

Ihren Auftritt sah auch die Leitung des Theatre Royal Drury

Parry konnte, rannte über die Straße, schlüpfte ins Kostüm - und sang, ohne die Choreografie genau zu kennen, versteht sich. Geholfen haben mag, dass sie die Rolle in Mamma Mia im vergangenen Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff gespielt hatte, die Songs und der Text waren also noch ziemlich frisch. Parry rettete den Abend, das Publikum freute sich, die Intendanz auch, die Londoner Zeitungen feierten sie als Einspringerin des Jahres - und das war's. Oder doch nicht?

Weil Steph Parry aus dem Dunkel ins Scheinwerferlicht katapultiert worden war, schaute auch die Leitung des Theatre Royal Drury genauer hin. Mit dem Ergebnis, dass die 35-Jährige sich dort über eine Beförderung freuen darf: Vom kommenden Monat an soll sie eine Hauptrolle in "42nd Street" übernehmen.

Ein Märchen wird also wahr. "Ich bin vor 14 Jahren von der Schauspielschule abgegangen", sagte Parry dem Evening Standard beglückt, "und ich war sehr lange immer nur Zweitbesetzung." Erst lernte sie die Rolle der Mrs. Wilkinson im Tanz-Drama Billy Eliot, dann drei unterschiedliche Rollen im Mamma-Mia-Cast, schließlich einen Part in der Show "Wicked". Zwischendurch setzte sie eine Weile aus, weil sie bei der populären Castingshow "Britain's Got Talent" die ersten Runden geschafft hatte und auf den Durchbruch hoffte - aber der Traum endete schnell, also ging sie zurück ins West End und zeitweilig aufs Kreuzfahrtschiff.

Sie habe das durchaus gemocht, sagt sie - dieses Gefühl, parat zu stehen, weil man ja nie gewusst habe, was passiert, wenn das Telefon klingelt. "Ich will nicht, dass es so klingt, als sei ich mit meinem Schicksal unzufrieden gewesen", sagt Parry; es habe Zeiten gegeben, da hätte sie alles getan, um nur in die Nähe der Londoner Musical-Szene zu kommen.

Bis dann eben ein Mal das Telefon klingelte und aus dem Sprung ins kalte Wasser der Durchbruch wurde. Von Juli an soll Parry die Rolle der Dorothy Brock in "42nd Street" spielen - in einem Stück über das, was sie allzu gut kennt: Erzählt wird die Geschichte von Schauspielern, die am Broadway alles geben für die eine, große Chance.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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